Es gibt nicht viele Städte auf der Welt, die auch bei Scheißwetter bezaubernd sind. Hamburg ist definitiv eine von ihnen. Ich würde sogar soweit gehen, dass ein bisschen schlechtes Wetter – oder wie der Hamburger sagen würde „Shiitwetter“ – dem maritimen Flair von Hamburg nur noch mehr Charme verleiht. Nagut, im November bei Sonnenschein Fischbrötchen am Elbstrand zu genießen, hat natürlich auch was. Aber so ein Hafenspaziergang bei Wind und Nieselwetter gehört einfach zu jedem Hamburg Besuch dazu. Punkt.
Shiitwetter?!
Als ich am Donnerstag Abend die Wetterapp auf meinem Handy öffne, bin ich bereit für das schlimmste – und das ist in diesem Falle ein Wochenende voller Dauerregen. Ich gebe es zu, mein Gemüt verhält sich umgekehrt proportional zur Niederschlagsmenge. Ich beneide die Menschen, die im Regen tanzen können – ich wünschte bei mir wäre das genauso. Das einzige was mich dann noch aufheitern kann ist ESSEN! Also fokussiere ich meine Gedanken voll und ganz auf die Fischbrötchen, die mich erwarten werde und stecke die Regenjacke in mein Reisegepäck. Hamburg kann kommen!
Speicherstadt und Landungsbrücken
Samstag morgen, 9 Uhr, Regen: Wir sitzen beim Frühstück und beobachten, wie die Regentropfen die Terrasse des Hotels in einen riesigen See verwandeln. Am liebsten würden wir uns jetzt wieder im Bett verkriechen und den Regen Regen sein lassen. Aber schließlich sind wir in Hamburg, und da darf man sich ja nicht von ein paar Regentropfen aufhalten lassen. Statt wie geplant per Fahrrad erkunden wir die Stadt allerdings lieber mit einem Tagesticket für den öffentlichen Personennahverkehr. Eigentlich wollen in Anbetracht des Wetters mit einem Besuch des Miniaturwunderlandes beginnen, aber nachdem wir die Schlage davor sehen, bleiben wir doch lieber an der frischen Luft und spazieren von der Speicherstadt in Richtung Landungsbrücken. Zumindest der Regen hat inzwischen nachgelassen.
Die Luft ist schwer und der Wind peitscht uns um die Ohren. Trotzdem bin ich glücklich. Während sich meine Laune umgekehrt proportional zur Niederschlagsmenge verhält, steigt sie proportinal, wenn irgendwo Wasser in der Nähe ist. Wenn dann noch irgendwo Möwen in der Nähe sind, bin ich auf meiner Glücksskala schon ziemlich weit oben – ja, auch bei schlechtem Wetter. Ich weiß „Ratten der Küste“ und so – aber ich mag die Viecher. Vielleicht deshalb, weil sie für Meer und Küste stehen.
„Ich liebe die Schiffe, das Meer und den Hafen…“ Ja so ein Hafenspaziergang kennt nur einen Soundtrack und ich ertappe mich wie ich das Lied im meinem Kopf rauf und runter spiele und dabei „hüpf‘ und spring und von Hamburg sing.“ Und weil ich eben nicht Nordisch by nature bin, sind für mich die Schiffe, die Elbe und der Hafen einfach nur total faszinierend – und das auch noch beim zehnten Mal.
Die Rickmer Rickmers
Vielleicht DAS Wahrzeichen des Hamburger Hafens schlechthin ist die Rickmer Rickmers, ist ein dreimastiges, stählernes Frachtsegelschiff, das heute als Museums- und Denkmalschiff bei den St. Pauli Landungsbrücken liegt. Wenn ich so alte Schiffe betrachte, stelle ich mir immer vor, wie sie vor hunderten von Jahren um die halbe Welt gesegelt sind. Ich frage mich, welche Geschichten die alten Holzbalken wohl zu erzählen wüssten. Hongkong, Kapstadt, Amerika – die Rickmer Rickmers hat schon weit mehr Orte bereist als ich. Nicht immer hatte sie es leicht. Im indischen Ozean verlor sie einst einen Masten und in Portugal wurde sie kurzerhand konfisziert oder musste für Großbritannien Kriegsgüter transportieren. Heute frisst sie im Hamburger Hafen als Museumsschiff ihr Gnadenbrot und erinnert an Hamburgs glorreiche Vergangenheit als Schifffahrtstadt.
Abtauchen in der U434
Seit dem ich mir „Das Boot“ in der extended Version auf DVD angesehen habe, will ich so ein U-Boot mal von Innen sehen. Nun bietet sich mir hier in Hamburg die Gelegenheit. Denn direkt am Fischmarkt St. Pauli kann man das russische Unterseeboot U434 besuchen. Das noch funktionstüchtige U-Boot ist eines der weltweit größten nicht atomgetriebenen U-Boote und wurde überwiegend für Spionageeinsätze genutzt. Aus diesem Grund besitzt es eine sechs Zentimeter dicke Gummibeschichtung, so dass es für Sonar nahezu unsichtbar ist. In der U-Bootwerft Krasnoje Sormowo in Nischni Nowgorod und wurde es im Jahr 1976 in nur acht Monaten gebaut. Wenn ich mir vorstelle, dass die Besatzung hier ganze Monate ohne Tageslicht verbraucht hat, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter.
Die besten Fischbrötchen Hamburgs
Nach so viel frischer Luft und Kultur wird es Zeit für den Hamburg Klassiker schlechthin: Das Fischbrötchen. Die besten soll es in dem kleinen Imbiss Brücke 10 auf den St. Pauli Landungsbrücken geben. Schon von weitem sieht man die Schlage vor dem Eingang. Schweren Herzens lasse ich das Krabbenbrötchen links liegen und entscheide mich statt dessen für ein klassisches Matjesbrötchen. Mit Blick auf den Hafen (und den gröhlenden, Astra-trinkenden Junggenellenabschied davor) wärmen wir unsere kalten Hände und Füße.
Hafenrundfahrt für 1,90 Euro
Am nächsten Tag steht eine „Hafenrundfahrt“ auf den Programm. Denn wie kann man Hamburgs maritime Seite erkunden, wenn man nicht wenigstens einmal auf ein Schiff gestiegen ist? Doch anstatt in eines der zahlreichen Boote einzusteigen, vor denen ein dickes Schild mit Hafenrundfahrt neben einem lautstark webenden Seemann steht, und uns im Anschluss mit lauter Rentnern bei Kaffee und Kuchen durch den Hafen schippern zu lassen, bevorzugen wir die authentische und zugleich preiswerte Variante: die Fähre. Denn die gehört zum Hamburger Personennahverkehr und kann für den Preis einer Einzelfahrt – oder eben im Rahmen einer Tageskarte – genutzt werden. Mit der Linie 62 fahren wir von den Landungsbrücken nach Finkenwerder. Vorbei geht es an Kränen und Schiffen die Elbe hinab. Schon nach wenigen Kilometern verändert sich die Umgebung komplett. Die Hafenindustrie weicht einer „grünen Küste“ mit zahlreichen Sandstränden und vereinzelten Häusern.
Aber Finkenwerder ist nur eine Etappe auf unserem Weg. Denn eigentlich wollen wir den Stadtteil Blankenese erkunden. Um in den Stadtteil Blankenese zu kommen kann man entweder einfach die S-Bahn nehmen oder eben – wie wir – mit der Fähre über Finkenwerder nach Nienstedten und dann weiter mit dem Bus weiter nach Blankenese fahren. Bei gutem Wetter lässt es sich sicher auch hervorragend mit dem Fahrrad an der Elbe entlang die 20 Kilometer nach Blankenese radeln.
Fast wie am Meer: Blankenese
Der heutige Hamburger Stadtteil war einst ein kleines Fischerdorf. In dem Treppenviertel lebten bereits im 14. Jahrhundert die Fischer und Lotsen. Heute dagegen ist der Stadtteil der reicheren Bevölkerung von Hamburg vorbehalten. Die Mieten sind hoch – und somit auch das Durchschnittseinkommen der Blankeneser – aber wer will nicht in dieser tollen Lage wohnen. Der Name „Blankenese“ ist plattdeutsch und bedeutet „glänzende Nase“. Damit bezeichnete man die Landzunge, deren Sandstrände von den Gezeiten umspült werden und dadurch „glänzen“.
Warum Blankenese auch Treppenviertel genannt wird, merkt man ziemlich schnell, wenn man vom Bahnhof hinab zur Elbe möchte und noch deutlich eindrucksvoller auf dem Rückweg. Zwischen Fachwerk und moderneren Häusern finden sich immer wieder klassische Reetdachhäuser, wie sie für die deutsche Küstenregion typisch sind.
Durch seine Lage am Hang besitzt so ziemlich jedes Haus „Elbeblick“ – sicher ein weiterer Grund für die horrenden Mieten. Wir erfreuen uns an den kleinen Vorgärten, die liebevoll und fast mediterran mit Blumen und Stäuchern bewachsen sind.
Am östlichen Ende des Strandweges befindet sich das denkmalgeschützte Strandhotel, ein eleganter, 1902 errichteter Jugendstilbau, der sofort ins Auge springt und mich ein wenig an die modänen Seebäder an der polnischen Ostseeküste erinnern.
Auch das Elbufer erinnert mehr an ein Seebad als an einen Hamburger Stadtteil. Der Sandstrand zieht sich mehrere Kilometer an der Elbe entlang und es gibt sogar einen Leuchtturm. An einem Sonntag wie diesem sind zahlreiche Spaziergänger unterwegs und die Sonne, die immer mehr zwischen den Wolken hindurchblitzt macht es trotz November regelrecht mild. Ich könnte stundenlang am Strand spazieren und den Schiffen zusehen, wie sie die Elbe auf und ab fahren. Wie war das noch gleich mit Dauerregen?
Ich will noch ein Fischbrötchen!!!
„Meeresluft“ macht hungrig und so machen wir uns auf die Suche nach einem Mittagsimbiss. Direkt an der Promenade fällt uns die Kajüte S.B.12 ins Auge. Nahezu jeder Tisch an der windgeschützten Hauswand ist besetzt und auch im Inneren platzt der Imbiss aus allen Nähten. Wir finden noch ein Plätzchen im Freien. In dicke Decken gekuschelt machen wir es uns unter dem Heizstrahler gemütlich und genießen die vielleicht letzten Sonnenstrahlen in diesem Jahr. Zum Nachtisch gönnen wir uns heiße Schokolade und ein Stückchen hausgemachten Kuchen.
Stundenlang hätte ich dasitzen und einfach nur genießen können. Doch die Zeit arbeitet gegen uns und es wollen auch noch andere in den Genuss der Fischbrötchen kommen.
Der Museumshafen Oevelgönne
Auf dem Rückweg entscheiden wir uns für die S-Bahn, denn ein weiteres maritimes Highlight wartet noch auf uns: Der Museumshafen Oevelgönne. Dazu verlassen die S-Bahn in Altona und spazieren zu Fuß Richtung Elbe und anschließend ein Stück flussabwärts. Da es bereits zu dämmern beginnt, beschleunigen wir unsere Schritte. Der Wind zieht auf und pustet uns ein paar Mal fast von den Füßen.
Nach rund 20 Minuten Fußweg erreichen wir den Museumhafen. Dieser ist ein Liegeplatz für alte Museums- und Traditionsschiffe sowie historische Boote, der von einem privaten Verein betrieben wird. Zahlreiche Segel-, Dampf- und Motorschiffe, die sonst sicher nicht mehr existieren würden, haben hier Unterschlupf gefunden. Sowohl die Brücke als auch der Anleger des Museumshafens sind frei zugänglich.
Das Herzstück des Hafens ist der Eisbrecher Stettin. Der kohlebefeuerte Dampf-Eisbrecher hat heute den Status eines technischen Kulturdenkmals. Obwohl in den 30er Jahren bereits lange Dieselmotoren bekannt waren, wurde die Stettin mit einer klassischen Dampfmaschine ausgestattet, da diese den Vorteil einer sehr schnellen Wechsel der Maschine von Vorwärts- auf Rückwärtsfahrt bietet. Dies war beim Manövrieren im Eis und beim Freibrechen von festsitzenden Schiffen von großer Bedeutung.
Sonnenuntergang alá Hamburg
Und als ich schon dachte, dieses Wochenende könnte nicht noch besser werden (ich erinnere nochmal an die suboptimale Wetterprognose), verabschiedet sich Hamburg mit einem Knall – nämlich einem der schönsten Sonnenuntergänge, die ich je erlebt habe. Wie versteinert stehe ich da, spüre wie der Wind um meine Nase weht, höre die schwappende Gicht zu meinen Füße und könnte vor Glück platzen.
Während wir mit der Fähre zurück zu den Landungsbrücken fahren und die Sonne am Horizont immer tiefer und tiefer sinkt, wird mein Herz vor Abschied ganz schwer. Hamburg, du hast mich verzaubert. Jetzt kann ich auch die Leute verstehen, sich trotz des Wetters für immer zu dir hingezogen fühlen. Wie meine Schwester zum Beispiel, die eines Tages einmal bei dir wohnen möchte. Naja, so habe ich wenigstens einen guten Grund um dich regelmäßig zu besuchen. Hamburg, an diesem Wochenende warst du meine Perle.
Seid ihr auch so verliebt in Hamburg? Was sind eure Lieblingsorte?
Offenlegung: Meine Reise nach Hamburg wurde von HRS und der Deutschen Bahn unterstützt. Vielen Dank dafür.
Siehst du, deshalb will ich nach Hamburg ziehen! :-)
Jaja, Rentnerkaffeefahrt im Schiff kann man sich auch sparen, wie wir zwei vor kurzem erst wieder feststellen mussten… Nicht wahr?
Liebe Grüße
Jessi
Oh jaaa, ich bin ein gebranntes Kind :-D
Hallo Jana,
schade dass ich deinen Artikel erst heute lese. Wir waren auch am Wochende in HH und sind am Sonntag zu einer Hafenrundfahrt aufgebrochen. hat aber deutlich mehr gekostet :-)
Beim nächsten Mal weiß ich aber Bescheid und nehme die Fähre.
Am Samstag waren wir noch auf dem größten Volksfest des Nordens, dem Dom. War auch ganz nett und hat mich etwas an unser Volksfest in München erinnert.
Danke für die tollen Bilder und Eindrücke meiner Heimat Jana.
Lieblingsplatz: Strandperle in Övelgönne bei einen Glas Weißwein oder an regnerischen Tagen lädt die Ruhe der Hamburger Kunsthalle zur Inspiration & Muse ein.
Cool, das muss ich unbedingt fürs nächste Mal merken ;-) LG Jana
Wie witzig, ich war dieses Wochenende auch in Hamburg. Nur haben wir mehrheitlich die Weihnachtsmärkte gesehen :)
Hallo, als geborener Hamburger, die ersten 6 Lebensjahre direkt im Hafen wohnend, aber seit über 60 Jahren ins Schwabenland verschlagen, ist mir der Begriff „Shiittwetter“ aufgefallen! Den gibt es aber so nicht! In Hamburg sagt man es nämlich nicht mit „englischem“ Unterton, sondern auf Plattdeutsch, nämlich „Schiedwetter“! Ansonsten aber habe ich mich über den Bericht und die Bilder aus dem Hafen und Blankenese riesig gefreut. Ebenso kann ich bestätigen, dass die Hafenerkundigung mit den Fährdampfern statt der „Kaffeefahrten“ mit dem lächerlichen Missippi-Hafenrundfahrt-Dampfer die weitaus bessere Lösung ist. Mit herzlichem Moin, Moin, Volkart.
Hihi werde ich mir merken ;-) Viele Grüße, Jana
Ist mir unklar: Wer muss wie meinen Kommentar noch freischalten? Gruß, Volkart
Ich muss den Kommentar noch freischalten – ist ein Schutz fiesen Spammern ;-) Aber ist schon passiert! Viele Grüße, Jana