Abenteuer am Achensee: Canyoning im Hühnerbach

„Siehst du die Felsen? Spring nicht zu weit nach rechts!“ Was hatte ich mir da bloß wieder gedacht? Ich stehe in voller Montur vor dem Abgrund in den ich mich gleich stürzen werde. Hinter mir redet mein Guide Martin beruhigend auf mich ein. Nur rund drei Meter liegen zwischen mir und dem natürlichen „Pool“ unter mir im Canyon des Hühnerbaches. Ich finde ein viel zu niedlicher Name für solch eine ausgewachsene Klamm. Ich nehme allen Mut zusammen und peile den Punkt an an dem ich im Wasser die wenigsten Felsen vermute und springe.

Die Sonne scheint aus allen Knopflöchern, als ich an diesen Morgen ins Freie trete. Nur ein Nebelschwaden halten sich noch hartnäckig über dem Achensee, ansonsten ist der Himmel strahlend blau. Ich bin verabredet mit Martin, der mich auf mein großes Abenteuer begleiten wird: meiner ersten Canyoning Tour. Schon am Vorabend haben wir uns getroffen um die Details zu besprechen. Wir werden in den Hühnerbach einsteigen – einer Canyoning Tour für Anfänger, die jedoch nicht zu unterschätzen ist. Es sind alle Techniken des Sports gefordert: Abseilen, Rutschen und Springen. Ich weiß schon jetzt was meine größte Herausforderung sein wird. Ich habe ja schon Angst wenn ich auf dem Dreimeterbrett stehe. Viel Zeit bleibt nicht um mir Sorgen zu machen.

„Du kannst mich Martin nennen oder Seehund!“

Schon kommt Martin um die Ecke. Mit dem Auto fahren wir entlang des Achensees bis wir schließlich an einem Parkplatz anhalten. „Der Ausstieg aus der Klamm ist von hier keine 10 Minuten Fußweg entfernt“.

Wir schälen uns in die dicken Neoprenanzüge. Sie haben sicher schon einiges mitmachen müssen. Die verstärkte Kniepartie ist bereits an einigen Stellen aufgeschürft. „Die Anzüge müssen wir jedes Jahr austauschen“, erklärt Martin. Ich weiß nicht so recht, ob mich das jetzt beruhigt. Zum Neoprenanzug gesellt sich noch eine Neoprenjacke sowie eine Windjacke, ein Helm und natürlich ein spezieller Canyoning-Klettergurt, der eher an eine überdimensionierte Windel erinnert. Der „Windeleinsatz“ des Gurtes soll das Rutschen auf dem Felsen erleichtern und den Hintern schützen. Schließlich fehlen nur noch die Neoprensocken und die speziellen Cayoningschuhe, die einen optimalen Halt auf dem nassen Fels ermöglichen. Dann kann es losgehen.

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Eingepackt und bewegungsunfähig wie eine Ölsardine watscheln wir nun den Berg hinauf. Wer es noch nicht weiß: Canyoning ist eine Art Klettersport, bei der man den Canyon von oben nach unten überwindet. Und damit man es „unten“ nicht so weit zum Auto hat, muss man sich in voller Montur erst einmal nach „oben“ vorkämpfen. Mein schlimmster Feind ist dabei mein beginnender Muskelkater von meiner Klettersteigtour am Vortag. Während unseres Weges können wir an ein paar Stellen bereits einen Blick auf die uns bevorstehende Tour 100 Meter unter uns werfen. Martin erklärt mir an welchen Stellen es Notausstiege gibt. Ich frage ihn, ob sie häufig benutzt werden. Nicht selten gäbe es auf seinen Touren Teilnehmer, die sich einfach zu viel zugemutet haben. Mir wird ein bisschen mulmig.

Schließlich erreichen wir das Bachbett, welches in den kommenden drei Stunden unseren Weg markiert. Aber bevor es los geht, gibt es erst einmal eine gründliche Sicherheitseinweisung. Besonders weil wir nur zu zweit sind ist es wichtig, dass ich weiß was im Ernstfall zu tun ist. Ich versuche das Kopfkino auszuschalten und mich statt dessen auf das zu konzentrieren, was vor mir liegt. Dann geht es los!

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Super Mario 8 – Real Life Edition

Der Anfang beginnt mit einer leichten Wanderung im Bachbett. Das kenne ich bereits von meiner ungewollten Schluchtenwanderung auf Kreta. Einziger Unterschied: mit den Canyoning Schuhen habe ich perfekten Halt selbst auf den glattesten Steinen. Schnell kommen wir zur ersten Engstelle, durch die das Wasser mit enormem Druck hindurchgepresst wird. Am Ende plumpse ich ins 12 Grad kalte Wasser, was ich auch durch Neoprenschichten und Windjacke noch bitterkalt anfühlt.

Martin erklärt mir wo ich am besten meine Füße hinsetze. Dann wartet auch schon die erste kleine Rutsche auf mich. Die Herausforderung: sobald ich das Becken am Ende erreicht habe, zieht mich ein tiefer Strom zurück unter Wasser. Aber Martin, der seinem Spitznamen „Seehund“ wirklich alle Ehre macht ist schon da und zieht mich aus der Gefahrenstelle heraus.

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Je weiter wir in den Canyon vordringen, desto spektakulärer türmen sich die Felswände über uns auf. Ich werde immer selbstsicherer und genieße alle Hürden, die sich uns in den Weg stellen. Ein bisschen fühlte ich mich wie Super Mario, der immer wieder neue Hürden überwinden muss. Meine Paradedisziplin ist das Abseilen, denn schließlich unterscheidet sich das wenig vom Klettern.

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Und schließlich stehe ich da vor dem Abgrund und springe. Es dauert keine Sekunde, dann tauche ich ins Wasser ein. Ich merke nirgends einen Widerstand, daher muss ich wohl richtig gezielt haben. Mit einem lauten Platschen kommt Martin neben mir an. Er hatte so lange oben gewartet, bis ich springe, damit er mich notfalls hätte abseilen können. Auch wenn ich Angst hatte – Aufgeben und Abseilen wäre keine Option gewesen.

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Glücklich meine persönliche Challance geschafft zu haben (ich war nur froh, dass das der Wasserstand für die eigentliche Absprunghöhe von sieben Metern zu niedrig war) setze ich meinen Weg fort. Langsam verstehe ich, warum manche Firmen solche Events als Betriebsausflug durchführen. Denn sie zeigen einem auf spielerische Weise wie man über seine eigenen Grenzen hinauswachsen kann.

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Die Zeit vergeht im Flug und schon ist das Ende des Canyons erreicht. „Hast du Lust auf einen letzten Sprung?“ fragt Martin und mein Herz fängt vor Angst erneut an zu klopfen. „Wie hoch ist es denn?“ Meine Frage ist eigentlich irrelevant, denn ich würde mir ein „Nein“ sowieso niemals erlauben. Das ist so wie bei Morgan Spurlock, der bei Supersize Me auf die Frage nach Supersize immer mit Ja antworten musste. Allerdings hoffe ich, dass das Ja geringere Auswirkungen auf meine Gesundheit hat, wie das von Spurlock im Film. Nur kurz frage ich mich, was ich mir da wieder eingebrockt habe, dann nehme ich Anlauf und springe ein zweites Mal ins Ungewisse.

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Mit diesem Sprung ist die Canyoning Tour vorbei und wir klettern am anderen Ufer wieder an Land. Wie versprochen trennen uns noch 10 Minuten weg vom Parkplatz, wo wir uns aus den nassen Klamotten schälen und trocknen können. Für meinen Geschmack war die Tour viel zu schnell vorbei, ich hätte noch stundenlang in der Schlucht herumtollen können.

„Ich hoffe man sieht sich mal wieder“, ruft Martin mir beim Abschied zu. Wir sind wieder zurück im Hotel, doch mein Herz hängt noch im Canyon. „Das hoffe ich auch“ antworte ich und bin im Kopf schon längst bei den spektakulären Canyonausflügen im Ötztal und in der Schweiz gelandet, von denen Martin mir auf der Fahrt vorgeschwärmt hat. Vorher muss ich mich aber noch trauen vom Fünfmeterbrett zu springen. Ich denke das wird meine Challange beim nächsten Schwimmbadbesuch. Oder wenigstens vom Dreimeterbrett.

Du willst auch mit Matrin in den Canyon? Weitere Infos und Buchungsmöglichkeiten findest du hier: Outdoorsport Tirol

Vielen Dank an Tirol Werbung und Achensee Tourismus für die Unterstützung meiner Reise und natürlich ganz besonders an Martin für die tolle Tour sowie die schönen Fotos!!

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10 Comments

    1. says: Jana

      Christina, puh schwierig, ich würde sagen für mich war das Klettern herausfordernder, weil der Schwierigkeitsgrad höher war. Beim Canyoning dagegen bin ich nur eine Einsteigertour gegangen. Aber Canyoning war für mich das erste Mal und von daher aufregend. Hmmm…

  1. says: Jessi

    Eijeijei, das wäre nichts für mich, auch wenn es sicherlich tierischen Spaß macht. Ich bin dann doch ein viel zu großer Angsthase! Also, Respekt! :-)

    Liebe Grüße
    Jessi

  2. says: Lars Graubner via Facebook

    Bin durch deinen Bericht neugierig geworden. Ich habe nächste Woche Donnerstag ein Date mit dem Seehund.

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