La Paz, der Wahrsager und meine Zukunft aus Coca-Blättern

„Du wirst beruflichen Erfolg haben. Alleine. Nicht jetzt sofort, aber in Zukunft.“ Ich bin baff. Ich dachte eigentlich immer, dass ich nicht an so Zeug glaube – Horoskope, Tarotkarten und so. Oder eben Wahrsager. Vielleicht ist es auch genau das, was man hören möchte, wenn man sich gerade selbstständig macht. Aber da bleibt noch die Frage: woher wusste Flores Yatiri, dass ich mich selbstständig mache? Zufall? Oder ist da vielleicht doch etwas dran, am Wahrsagen aus Coca-Blättern?

Gespannt lausche ich den Worten von Flores, der immer wieder einzelne Blätter aus dem Haufen an Coca-Blättern aus dem Haufen vor sich auswählt, zwischen den Händen reibt, auf den Tisch fallen lässt oder eingängig betrachtet. Flores sieht darin die Zukunft, ich nur einen Haufen Cocablätter, wie die, dir wir gerade auf dem Markt gekauft haben, um die Höhenkrankheit zu bekämpfen. Ich hoffe sie sind für das Wahrsagen besser geeignet als sie schmecken.

Ich sitze in einer Wellblechhütte in El Alto hoch über den Dächern von La Paz in einer Straße, in die ich mich normalerweise niemals getraut hätte. Man nennt sie auch die Schamanen-Straße, denn hier findet man dicht an dicht die Menschen in La Paz, die man aufsucht, wenn man Glück für den Hausbau benötigt, gesundheitliche Probleme hat oder sich mehr Erfolg im Beruf wünscht. Oder Geld. Oder eben wissen will, wie die eigene Zukunft so aussieht.

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Während ich höre, was Flores über meine Gesundheit zu erzählen hat, lasse ich den Blick im Raum schweifen: eine eigenartige Mischung aus Oferschalen, bunten Girlanden, Müll und alten Zeitungen. Wir sitzen an rund um den kleinen Tisch mit einer bunten Tischdecke, auf der Flores die Coca-Blätter verteilt hat. Sie sagen im gerade, dass ich ein kleines gesundheitliches Problem abklären sollte, damit es nicht schlimmer wird. Jetzt verspüre ich doch ein merkwürdiges ziehen im Bauch. Was wenn er recht hat?

Alles andere in meinem Leben hört sich an wie ein gutes Horoskop: Glück in der Liebe, nicht zu eifersüchtig sein und so. Später frage ich unseren Guide, ob die Zukunft bei jedem so rosig sei? Nein sagt er. Oft müsse er Reisenden richtig schlechte Nachrichten überbringen. Das sei besonders schlimm, weil er selbst an die Schamanen und ihre Fähigkeiten glaubt und sich daher auch selbst noch nie die Zukunft vorhersagen hat lassen. Er wolle es lieber nicht wissen. Das Grummeln in meinem Bauch wird eindringlicher. Vielleicht sollte ich gleich nach meiner Rückkehr einen Termin bei meinem Hausarzt ausmachen. Ich bin verunsichert, dabei war ich doch anfangs einfach nur neugierig.

In Bolivien gehen Katholizismus und Schamanismus Hand in Hand: morgens noch in der Kirche gewesen und am Nachmittag ein totes Lamaembryo für das neue Eigenheim geopfert – das ist Gang und Gebe in Bolivien und zwar nicht nur bei der indigenen Bevölkerungsgruppe. „Die getrockneten Lamababys sind aber alle eines natürlichen Tods gestorben oder beim Schlachten einer unbekannt trächtigen Lamadame zum Vorschein gekommen“, beteuert unser Guide. Denn lebendig sei ein Lama viel mehr wert als tot. Die getrockneten Tiere hängen auch im Hinterhof von Flores „Büro“, auf den er uns im Anschluss einen Blick werfen lässt. Hinter den getrockneten Lamas, unidentifizierbaren Säcken und Opferschalen eröffnet sich uns der wohl atemberaubendste Blick auf La Paz.

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Flores bezieht seine Opfergaben – so wie jeder ordentliche La Pazer – auf dem sogenannten Hexenmarkt. Aber nicht der im Stadtzentrum, der in jedem Reiseführer steht, sondern dem echten, richtigen, in El Alto. Und weil es dort für unwissende Touristen alleine ein wenig gefährlich wäre, wissen nur die Einheimischen, wo man ihn findet. Nach minutenlangem Herumirren durch Obst, Gemüse, Fleisch und Cocablättern, kommen wir schließlich in der richtigen Sektion an. Für ein paar Mirabellen als Geschenk erzählt uns die Verkäuferin, die sich selbst wie eine Art Pharmazeutin sieht, wo der Unterschied zwischen weißen und Schwarzen Opfergaben besteht und für welche Krankheiten sie das passende Mittelchen zur Hand hat. Mit den entsprechenden Zutaten ausgestattet, kann man die Rituale entweder selbst durchführen oder man sucht Hilfe in der Schamanenstraße.

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Woran man jetzt erkennt ob der Nachbar nun tatsächlich um Geld bittet und einem nicht die Pest an den Hals wünscht? Weiße Opferschalen enthalten Lametta und bunte Süßigkeiten, schwarze getrocknete Baumteile und Chili-Schoten. Ich hoffe nur die nette „Pharmazeutin“ war nicht zu böse, dass wir bei ihr nichts gekauft haben. Oder ist vielleicht deshalb mein iPhone vor ein paar Tagen in tausend Stücke gesprungen? Ich werde es wohl nie erfahren.

Morgen mache ich auf jeden Fall mal einen Termin bei meinem Arzt aus…

La Paz abseits der Touristenpfade

Die meisten Reisenden halten sich in La Paz entweder nur ein/zwei Tage auf oder verbringen manchmal Wochen in den sogenannten Partyhostels (z.B. im Loki Hostel, das ich aber trotzdem empfehlen kann) in der Nähe des Busbahnhofes und verlassen selbiges nur, wenn ihnen das Geld ausgeht oder die Hostelküche doch mal zum Hals heraushängt. Wer jedoch wie ich einen Blick hinter die Kulissen der Stadt werfen oder selbst einen Einblick in seine Zukunft erhalten möchte (Kostenpunkt: 20 Bolivianos, rund 2,50 Euro), dem kann ich die Citytouren von Banjo-Tours nur ans Herz legen. Gerade weil die Reiseführer vermitteln die Stadt sei so gefährlich, dass man quasi schon halb ausgeraubt/gekidnappt/erschossen ist, wenn man nur den Busbahnhof verlässt, ist es gut jemanden an der Hand zu haben, der die Stadt und seine spannenden Flecken kennt wie seine Westentasche und auch mit so manchem Gerücht über die Sicherheit aufräumen kann. Und dann merkt man auch ganz schnell, dass die Stadt auch nicht wirklich gefährlicher ist, als andere Städte in Südamerika. Und: sie ist definitiv einen zweiten Blick wert!

Vielen Dank an Banjo-Tours für die Einladung auf die Tour. Weitere Infos und Buchungsmöglichkeiten findet ihr auf banjotours.com.

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10 Comments

  1. says: Kirsten

    Danke liebe Jana für diesen tollen Beitrag und den spannenden Einblick in La Paz & den dort ansässigen Schamanen. Ich habe den Artikel mit Genuss gelesen und ich wünsch dir alles Gute bei deinem Hausarzt-Termin.
    Liebe Grüße Kirsten

  2. says: Katja

    Hallo Jana, vielen Dank für deinen Bericht und herzlichen Dank, dass du mich immer wieder mit interessanten Geschichten versorgst. Du hast hoffentlich noch einige von deinem Südamerika-Trip auf Lager? :-)
    …. und danke auch, dass du nicht nur wunderschöne Touri-Bilder hier zeigst, sondern viel mehr einen realistischen Eindruck der Städte & Landschaften vermittelst.
    Viel Erfolg beim „Wiedereinleben“ in Deutschland wünscht Dir
    Katja

  3. says: Barbara

    Von diesem Hexenmarkt und den Wahrsagern habe ich auch schon gehört – total spannend!

    Und: Danke fürs virtuelle Mitnehmen nach La Paz – da wollte ich auch schon ewig mal hin. Leider geht derzeit anderes vor, aber irgendwann werde ich auch wieder mehr reisen.

  4. Pingback: 12mal12 Mai - heldenwetter
  5. says: Anna

    Hi Jana, toller Beitrag! :-)
    Ich bin gerade in Arequipa und mein nächstes Ziel ist Bolivien. Fixpunkte sind La Paz und danach die Uyuni Salzwüste. Meine Frage an dich: wie viele Tage würdest du für La Paz einplanen? Ich habe 4 Tage zur Verfügung und überlege gerade, noch ein Ziel zwischenzuschieben. Hast du vielleicht eine Idee?
    Danke vorab und liebe Grüße!
    Anna

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