Poschiavo – die schönsten Wanderungen & Ausflugsziele im Puschlav

Das Puschlav oder auch italienisch Val Poschiavo ist ein Südtal der Alpen im Kanton Graubünden in der Schweiz. Wer das Attribut mediterran im Zusammenhang mit der Schweiz hört, denkt sicher erst einmal ans Tessin. Aber das Puschlav kann hier eindeutig mithalten, da es sich gegen Süden nach Italien öffnet und so nicht nur das südländische Lebensgefühl, sondern auch das warme Klima herüber schwappt. Ganz anders sieht es da am anderen Ende des Tals aus: Denn hier trennt der eisige Berninapass das Puschlav vom Engadin.

So abwechslungsreich wie die Klimazonen im Puschlav sind, so abwechslungsreich sind auch seine Wanderungen und Ausflugsziele. Nicht selten hat man das Gefühl während einer Tageswanderung alle Jahreszeiten zu erleben – besonders im Frühsommer, wenn im Bereich über 2.000 Metern noch das ein oder andere Schneefeld überquert werden muss. Über 250 Kilometer markierte Wanderwege gibt es, die von rund 400 Metern auf bis zu 3.905 Meter hinauf führen. Letzteres ist die Höhe des Piz Palüs, des markanten Eisriesens und Teil der bekannten Bernina-Gruppe.

In diesem Artikel möchte ich euch sieben landschaftlich unterschiedliche und wunderschöne Wanderungen im Puschlav vorstellen, die wir allesamt in den letzten zwei Juniwochen gemacht haben. Für noch mehr Tipps für die Region und Graubünden lest auch meine persönlichen Empfehlungen zum Wandern in Pontresina inklusive Besteigung des Piz Berninas höchstpersönlich.


#1 – San Romerio Rundwanderung ab Garbella

Diese Tour führt von der kleinen Ortschaft Garabella über einen breiten Forstweg zur Alpe San Romerio und über einen schmalen, alpinen Pfad oberhalb des Poschiavo-Sees zurück zum Ausgangspunkt. Wenn ich die Tour noch einmal machen würde, würde ich sie wohl andersherum gehen, weil der Aufstieg auf dem schmalen Pfad wohl sicher angenehmer gewesen wäre als der Abstieg.

So oder so: ein Aufstieg zur 1.800 Meter hoch gelegenen Alp, die wie ein Adlerhorst über der felsigen Südostseite des Lago di Poschiavo thront, lohnt sich. Nicht nur wegen der großartigen Aussicht, sondern auch der Einkehr auf der Sonnenterrasse der urigen Selbstversorgerhütte, in der nur hausgemachte, typische Speisen und Getränke auf den Tisch kommen. Für den Aufstieg über den breiten Forstweg braucht es keine alpine Vorerfahrung, nur ein bisschen Kondition ist von Vorteil – immerhin 800 Höhenmeter müssen überwunden werden. Umso mehr Trittsicherheit ist für den Abstieg bzw Aufstieg über den schmalen Pfad S4 von Nöten. Dafür sind die Ausblicke auf den See umso spektakulärer. Alternativ lässt sich die Alp übrigens auch mit dem E-Bike erreichen.

Details zur San Romerio Rundwanderung

  • Schwierigkeit: schwer
  • Strecke: 12,2 km
  • Dauer: circa 5 Stunden
  • Aufstieg: 760 Höhenmeter

-> Zu den detaillierten Routeninfos inklusive GPX-Track via Komoot


#2 – Pass da Cancian & Pass d’Ur Rundtour ab Quadrada

Während die Alp San Romerio bei fast jedem Posciavo-Urlauber auf dem Programm steht, ist die Wanderung zum Pass da Cancian & Pass d’Ur ab Quadrada ein absoluter Geheimtipp. Wir sind hierbei einer Empfehlung meiner Eltern aus einem alten Wanderführer gefolgt, die ich so noch nie irgendwo online gefunden habe.

Dementsprechend ist uns auf der gesamten Tour nur ein anderes Wanderpaar begegnet. Abenteuerlich ist bereits die Anfahrt zur Wanderung, denn auf den letzten knapp 10 Kilometern ab Selva ist die Pass“straße“ nur ein schmaler, geschotterter Fahrweg. Mit meinem historischen Bulli haben wir uns nur hinauf getraut, nachdem wir uns in Selva gleich mehrfach bei Einheimischen abgesichert haben, dass die Straße auch wirklich mit diesem Fahrzeug passierbar ist. War sie am Ende auch, Nervenkitzel gab es trotzdem.

Auch für die Tour selbst solltet ihr ein wenig alpine Erfahrung mitbringen. Der Weg führt über sehr felsiges und ausgesetzes Gelände, im Vorfrühling über einige Schneefelder und oft ist der Weg nur schemenhaft anhand vereinzelter Wegmarkierungen zu erkennen. Aber die eindrucksvolle Landschaft entschädigt für alle Strapazen. Los geht es durch ausgedehnte Weiden immer leicht bergauf zur Alp Cancian. Von da an geht es steil bergauf auf den gleichnamigen Pass.  Kurz vor dem Pass d’Ur überquert der Weg für kurze Zeit die Grenze nach Italien. Der Abstieg zur Alp vorbei am Laghet d’Ur ist vom Panorama einmalig schön. Von der Alp d’Ur geht es dann im sanften Auf und Ab zurück zum Ausgangspunkt.

Ich habe selten so eine gelungene und abwechslungsreiche Rundwanderung erlebt, die von der ersten bis zur letzten Minute spannend und abwechslungsreich ist. Manchmal hätte man sich sogar mal einen breiteren Weg gewünscht, auf dem man mal ein Stückchen im Automatikmodus hätte wandern können. Wenn das mal kein Jammern auf hohem Niveau ist oder?

Details zur Pass da Cancian & Pass d’Ur Rundtour ab Quadrada

  • Schwierigkeit: schwer
  • Strecke: 12,5 km
  • Dauer: circa 5 Stunden
  • Aufstieg: 670 Höhenmeter

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#3 – Vom Berninapass über den Sassal Mason zur Alp Grüm

Eine wunderschöne Wanderung für die ihr zwar trittsicher sein solltet, aber nicht besonders fit sein müsst ist die Tour vom Berninapass über den Sassal Mason zur Alp Grüm. Am Anfang der Tour geht es fast komplett ebenerdig am Lago Bianco entlang. Der Stausee wird von sogenannter Gletschermilch  gespeist – daher der Name und die weißliche Farbe. Und noch etwas Spannendes kann man hier beobachten: Der See ist nämlich auch eine Wasserscheide: im östlichen Teil fließt das Wasser in das schwarze Meer, im südlichen in die Adria.

Wir mussten im Juni gerade an der Westseite einige Schneefelder überqueren, was dem sonst einfachen Wanderweg eine gewisse Schwierigkeit verleiht. Besonders schön ist dann der Aufstieg zum Sassal Mason und die Aussicht auf den Palü-Gletscher und bis tief hinein ins Val Poschiavo. Danach geht es nur noch bergab – zunächst auf einem schmalen Pfad und dann auf einem breiteren Wanderweg zur Alp Grüm. Hier gibts im Anschluss ein wahnsinnig leckeres Käsefondue mit Panorama.

Details zur Wanderung vom Berninapass über den Sassal Mason zur Alp Grüm

  • Schwierigkeit: mittel
  • Strecke: 9,3 km
  • Dauer: circa 2-3 Stunden
  • Aufstieg: 160 Höhenmeter

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#4 – Val di Campo & Passo Val Viola

Das Val di Campo zählt zu den schönsten Nebentälern in Poschiavo und ist eines der beliebtesten Ausflugsziele. Zurecht! Wer sich den langen Weg auf der breiten Schotterstraße von Sfazu nach Camp sparen möchte (und auch die Energiereserven für diese eh schon recht lange und anspruchsvolle Tour), reserviert so wie wir einen Platz im Postauto unter der Nummer 0583413491. Am besten ein paar Tage vorher anrufen, denn die wenigen Plätze im Kleinbus sind schnell voll. Von der Endhaltestelle Camp geht es weiter zu Fuß ins Tal hinein – vorbei an den Seen Lagh da Scispadus und Lagh da Val Viola.

Von dort geht es steil bergauf auf einen (namenlosen) Pass auf über 2.400 Metern. Hier liegt noch jede Menge Schnee. Hinter dem Pass liegt bereits die Grenze zu Italien, die wir überqueren und im Rifugio Viola eine kleine Mittagspause einlegen. Das Rifugio wird auch als Polentahütte bezeichnet, denn sie serviert jeden Tag nur das: Polenta. Die vegetarische Version mit ein paar Stückchen Bergkäse ist allerdings ziemlich spartanisch – dafür gibts im Menü für 15 Euro eine Karaffe Wein und Wasser dazu, sowie einen Kaffee hinterher. Der Rückweg führt dann über den Passo Viola (2.460m) und eine wunderschöne blühende Hochebene.

Zurück am Lagh da Val Viola kreuzen wir unseren Weg, und wandern nun einmal um den See und an der Ostseite entlang. Leider hab ich unterschätzt, wie weit uns der Weg vom See hoch in die Berge „abtreibt“ und so müssen wir unsere geplante Pause am Lagh di Saoseo leider streichen und machen uns schnell auf den Weg zum Refugio Saoseo, wo wir gerade noch den letzten Bus nach Sfazu bekommen. Insgesamt wurde es eine wirklich wunderschöne, stellenweise einsame und recht herausfordernde Rundwanderung, die eine schöne Alternative zum kurzen Rundweg (5km) oder dem Puschlaver-Klassiker von Sfazu (15km) ist.

Details zur Wanderung durch das Val di Campo & zum Passo Val Viola

  • Schwierigkeit: schwer
  • Strecke: 15,4 km
  • Dauer: circa 6 Stunden
  • Aufstieg: 630 Höhenmeter

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#5 – Alp Grüm Runde von Cavaglia

Die Alp Grüm lässt sich nicht mit dem Auto, sondern nur mit dem Zug der Räthischen Bahn erreichen. Oder eben zu Fuß im Rahmen einer kurzen, aber recht steilen Wanderung ab Cavaglia.  Cavaglia liegt auf einer Hochebene auf 1.700 Metern und kann über eine Passstraße erreicht werden (oder ebenfalls mit dem Zug). Bevor ihr euch zu Fuß auf den Aufstieg zur Alp macht, sollte ihr dem Gletschergarten etwas unterhalb der Bahnstation einen Besuch abstatten. Hier hat der Palü-Gletscher über 30 riesige Gletschertöpfe in den Fels gegraben, die aussehen, als wären sie Kochtöpfe von Riesen. Sie liegen weit verteilt in einem großen Areal, das auch immer wieder schöne Ausblicke nach Poschiavo bietet.

Dann gehts an den Anstieg über den Via Palü. Dazu folgt ihr dem Palü-Fluss vorbei an einem Wasserkraftwerk bis ihr zum wunderschönen Palü-See kommt. Für mich ist der See einer der schönsten und fotogensten Orte, die ich in der Schweiz bisher besucht habe. Am See zweigt der Weg zum Gletschersee Lagh da Caralin ab, der eigentlich unser persönliches Ziel gewesen wäre. Nach mehreren abfallenden Schneefeldern haben wir die Wanderung dann jedoch abgebrochen. Der Serpentinenpfad nach Alp Grüm ist dagegen auch im Frühsommer sehr gut zu gehen, obwohl man sich nach dem Anstieg das Käsefondue auf der Aussichtsterrasse des Restaurants definitiv verdient hat. Zurück geht es entweder mit dem Zug oder auf den viel-frequentierten Weg über Stablini.

PS: Wer den Abstecher zum Lagh da Caralin mitnehmen möchte, macht aus der 8 Kilometer Wanderung eine 15 Kilometer lange mit rund 800 Höhenmeter.

Details zur Alp Grüm Runde von Cavaglia

  • Schwierigkeit: mittel
  • Strecke: 8 km
  • Dauer: 2-3 Stunden
  • Aufstieg: 400 Höhenmeter

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#6 – Lago di Poschiavo Umrundung

Die leichte Wanderung um den Lago di Poschiavo kommt ohne Höhenmeter aus und ist somit fast für jeden und bei jedem Wetter machbar. Oft findet man auch an einem Regentag ein trockenes Zeitfenster und ehrlich gesagt finde ich den See mit ein paar Nebelschwaden noch viel schöner als bei strahlendem Sonnenschein. Parken könnt ihr zum Beispiel auf dem Parkplatz bei Miralago – von dort sind es nur wenige Meter bis zum Start des Seerundwegs. Insbesondere die schroffe Ostseite des Sees ist landschaftlich ein Traum und komplett unbebaut. Wegen der Steinschlaggefahr sollte man hier aber keine ausgedehnten Pausen einlegen. Übrigens: Obwohl es sich um eine Stausee handelt wurde er nicht künstlich angelegt, sondern entstand durch einen prähistorischen Bergsturz. Lediglich eine Wasserfassung am Südende reguliert heute den Abfluss.

Details zur Lago di Poschiavo Umrundung

  • Schwierigkeit: leicht
  • Strecke: 8,1 km
  • Dauer: circa 2 Stunden
  • Aufstieg: 30 Höhenmeter

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#7 – Von San Antonio nach Selva & zurück

Diese Wanderung ist für mich der Beweis, wie lohnenswert es manchmal auch sein kann einfach draufloszuwandern. Im Puschlav ist es eigentlich überall wunderschön und jede Wanderung „vor der Haustür“ wäre anderenorts eine hochgelobte Highlight-Tour. So auch die knapp zehn Kilometer lange Wanderung von San Antonio nach Selva und zurück.

Wir sind direkt von unserem Campingplatz (Camping Boomerang) gestartet und über einen schmalen Waldpfad bergauf gewandert. Ungefähr auf halber Strecke nach Madreda lichtet sich der Wald und man kann die umliegende Bergwelt sehen. Die Bergwiesen sind voller blühender Blumen und auf den Weiden grasen Kuhherden – mehr Schweizidylle kann ich mir kaum vorstellen. In Selva angekommen haben wir im Garten des Ristorante Selva frische Pizzocheri (Buchweizennudeln) mit Kartoffeln, Spinat und Käse, das Nationalgericht des Puschlavs probiert. So einfach und so gut!

Zurück ging es dann über den Hauptweg nach Pontresina, von dem wir allerdings dann nach San Antonio abgezweigt sind. Auch wenn diese Wanderung für uns nur eine spontane Abendwanderung zum Essen gewesen ist, kann ich die Tour wirklich nur empfehlen.

Details zur Wanderung von San Antonio nach Selva & zurück

  • Schwierigkeit: mittel
  • Strecke: 9,7 km
  • Dauer: circa 3 Stunden
  • Aufstieg: 460 Höhenmeter

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Mein Übernachtungstipp für Poschiavo: Camping Boomerang

Weil es uns so gut gefallen hat, haben wir gleich die ganze Woche auf dem familiären (und hundefreundlichen) Campingplatz Boomerang in San Antonio verbracht. Nur 350 m entfernt fahren ab dem Bahnhof Li Curt Züge nach Tirano und St. Moritz. Jeder darf sich hier seinen Stellplatz selbst aussuchen, es gibt keine Parzellen mit Gartenzwergen, sondern nur eine schöne Wiese mit vielen schattenspendenden Bäumen und einen kleinen Grillplatz. Wer nicht mit dem eigenen Camper oder Zelt anreist, kann auch in 2-Zimmer-Bungalows mit Holzterrasse, Küche und Bad übernachten. Im kleinen Camping-Café gibt es auch ein paar Lebensmittel zu kaufen und guten italienischen Kaffee. Die freundliche Besitzerin ist immer für einen Plausch offen und teilt gerne sämtliche Tipps und hilft bei der Planung von Touren in der Region. Und das beste: Jeden Morgen bringt das Bäckerauto frische Brötchen direkt an den Platz.

PS: Bei allen Wanderungen war meine Hündin Melli mit dabei. Die Wanderung sind also für Wanderer mit (relativ fittem) Hund absolut geeignet und empfehlenswert.

Habt ihr noch weitere Tipps für schöne Wanderungen im Puschlav beziehungsweise rund um Poschiavo oder noch Fragen zu einer der Touren? Dann hinterlasst gerne einen Kommentar!

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2 Comments

  1. says: Theres Schmid

    Wow! Vielen Dank für die wunderschönen Bilder und auch sehr hilfreichen Beschreibungen. Ich war vor vielen Jahren im Puschlavertal in den Wander-Ferien .Beim Lesen und beim Bilder betrachten sind so viele vergessene Erinnerungen wieder zum Vorschein gekommen. Ich kann diese Region wirklich sehr zum wandern, chillen und Natur geniessen empfehlen. Damals war sie ein „Geheimtipp“ und auch nicht so mit Touristen überlaufen. Viel Freude jedem Besucher :-)

  2. says: Diana Jill Mehner

    Danke dir für diesen inspirierenden Beitrag, liebe Jana! Er zeigt wieder einmal deutlich, dass es einfach viel zu viele schöne Orte auf der Welt zu entdecken gibt und man gar nicht unbedingt eine halbe Weltreise dafür unternehmen muss ;)

    Da habe ich mit deinem Blog eine schöne neue Quelle für Ziele unseres bevorstehenden Abenteuers gefunden: Im Sommer geht es für meinen Mann, unseren Hund Leia und mich auf unsere langersehnte Langzeitreise durch Europa! 2020 wollten wir eigentlich schon starten und standen schon kurz vor Abfahrt, als Corona für zu viele Grenzschließungen gesorgt hat… Aber 2023, das wird unser Jahr und wir freuen uns riesig darauf!
    Und wer weiß, bestimmt steuern wir das eine oder andere Ziel aus deinem Blog an :)

    Ganz liebe Grüße und einen dicken Knuddler für deine zauberhafte Melli! Diana

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