In Bozen treffen Gegensätze aufeinander: in der Altstadt spiegeln prächtige Renaissance- und Barockbauten die langjährige Zugehörigkeit zu Österreich wieder, die Außenbezirke sind jedoch stark von Industriebauten dominiert. Lange Jahre schlummerte das touristisch unbedeutende Bozen, bis 1991 die Hautstadt Südtirols plötzlich in aller Munde war. Ein Ehepaar entdeckte im nahe-gelegenem Ötztal die über 5.000 Jahre alte Leiche eines Mannes, den man seither nur unter dem Namen Ötzi kennt. Was bietet die Stadt neben einem Besuch beim Steinzeitmann?
Grau in Grau – Südtirol zeigt sich wolkenverhangen
Bozen und ich hatten keinen leichten Start. Während ich am Morgen auf der vielleicht schönsten Zugfahrt meines Lebens über die Alpen die traumhafte Winterkulisse bewundern durfte und die Berge in schönstem Sonnenlicht erstrahlten, zeigt sich Südtirol grau und zu meinem Bedauern schneefrei. Wie schön hatte ich es mir ausgemalt auf meinem Weg nach Meran hier einen Zwischenstopp einzulegen und habe mir schon vor meinem Inneren Auge vorgestellt, wie ich bei einem Kaffee die traumhafte Berglandschaft bewundere. Wer bis jetzt immer behauptet hat, ich hätte das gute Wetter gepachtet, den überzeuge ich hiermit vom Gegenteil. Noch dazu kommt, dass es in Bozen wohl keinerlei Gepäckschließfächer gibt und nun stapfe ich bei Nieselregen und mit meinem schweren Backpack auf den Rücken vom Bahnhof in Richtung Altstadt.
Diese ist glücklicherweise vom Hauptbahnhof schnell erreicht. Nur wenige Minuten später stehe ich bereits Mitten auf dem Walthersplatz, der nach dem berühmten Minnesänger Walther von der Vogelweide benannt ist. Dieser soll im Jahr 1170 auf dem Vogelweider Hood bei Lajen geboren sein. Im zu Ehren steht in der Mitte der Piazza Walther von der Vogelweide ein Denkmal. Das jedoch ist zur Weihnachtszeit von den großen roten Weihnachtsmarktbuden verdeckt, die sich ebenfalls auf dem Platz befinden.
Auch die Südtiroler haben Weihnachtsmärkte für sich entdeckt und nun findet man Bratwurst, Glühwein und Holzschnitzereien in fast jeder größeren Stadt. Jedoch können die Stände auf dem Walthersplatz nicht mal annähernd mit denen von Meran mithalten (das wusste ich jedoch zu der Zeit noch nicht).
Direkt neben dem Platz befindet sich der Dom Maria Himmelfahrt, die Stadtpfarrkirche von Bozen. 1180 wurde an dieser Stelle die erste Pfarrkirche im romanischen Stil unter diesem Namen errichtet. Die Legende besagt, dass ein Bozner Fuhrmann hier ein wundersames Gnadenbildnis der Mutter Gottes gefunden habe. Die heutige Kirche wurde im 16. Jahrhundert im spätgotischen Stil fertiggestellt, im zweiten Weltkrieg jedoch stark zerstört und anschließend wiederaufgebaut.
Die Chiesa dei Cappuccini (Kapuzinerkirche) ist dem hl. Antonius von Padua geweiht. Zusammen mit dem Kapuzinerkloster befindet sie sich in einer Seitenstraße des Piazza Domenicanii und ist gar nicht leicht zu finden. Bevor ich den unscheinbaren Eingang zur Kirche entdeckt habe, bin ich zuvor schon ein paar Mal achtlos daran vorbei gelaufen.
Im Innenhof des Klosters ist der Klostergarten untergebracht. Dieser zeigt sich jahreszeitengemäß eher bescheiden.
Nur ein paar Häuser weiter liegt die Chiesa dei Domenicani. Die Domenikanerkirche mit ihrem ehemaligen Kloster ist eines der kunsthistorisch bedeutendsten Bauwerke der Stadt. Sie ist berühmt für ihre gotischen Wandmalereien aus den Jahren 1320 und 1520. Das Altarbild des Guercino im Langhaus dagegen ist ein Beispiel des italienischen Barocks.
Über die Via Goethe gelangt man durch die verwinkelten Gassen mit zahlreichen kleinen Läden zum Piazza delle Erbe (Obstmarkt).
Seit über 500 Jahren wird hier Obst, Gemüse und Geflügel verkauft – so wie auch an diesem Tag. Der Markt ist täglich, außer Samstag Nachmittag sowie an Sonn- und Feiertagen, geöffnet.
Auf dem Obstmarkt fällt das sogenannte Torgglhaus mit seinen Wandmalereien sofort ins Auge. Die Torggel ist eine schon bei den Römern bekannte Baumpresse, die zum Pressen von Trauben zum verwendet wird. Die Trauben werden zunächst mit den Füßen gestampft oder mit Kolben zerstoßen und dann dem Hebeldruck eines 12 bis 14 Meter langen, schweren Eichenstammes ausgesetzt. In Südtirol ist noch heute der Begriff „torggeln“ für das Pressen der Trauben gebräuchlich.
Apropos Torggeln: Ein traditioneller Brauch, der in Südtirol auch heute noch kultiviert wird ist das sogenannte Törggelen. Im Herbst wird die Verkostung des jungen, noch nicht vergorenen Traubensaftes mit einem großen Fest gefeiert. Das gemütlichem Beisammensein mit deftigen Speisen und Weinen aus den heimischen Küchen und Kellern steht dabei im Vordergrund. Das Fest ist quasi eine Art Erntedankfest – eine Tradition, die auch von jungen Tirolern gerne fortgeführt wird.
Geht man den Obstplatz in Richtung Norden weiter, so gelangt man zur Franziskanergasse. Hier steht auch schon das nächste Kloster Bozens, der Convento dei Francescani aus dem 13. Jahrhundert.
Nur ein paar Meter weiter – auf der Piazza della Madonna befindet sich die Mariensäule, ein Denkmal des Künstlers Andreas Kompatscher aus dem Jahr 1909. Diese soll an die Choleraepidemie erinnern, die 1836 die Bozner Bevölkerung heimsuchte.
Die neuromanische Chiesa S. Cuore – zu deutsch Herz-Jesu-Kirche – von 1897-99 steht in der Rauschertorgasse 6. Die Kirche wurde von dem Orden der Eucharistiner zu Ehren des hundertjährigen Jubiläums der Weihe des Landes Tirol an das Heiligste Herz Jesu (1796) und des fünfzigjährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. erbaut.
Eine der schönsten Straßenzüge, auf die ich in Bozen gestoßen bin ist die Via Cassa di Risparmio, die Sparkassestraße.
Etwas außerhalb der Altstadt an der Uferpromenade der Talvera steht das Castel Mareccio. Der erste Burgfried des Schlosses Maretsch wurde um 1200 erbaut, sein heutiges Aussehen bekam es im 16. Jahrhundert. Das Schloss kann auf Anfrage auch von innen besichtigt werden.
Durch die Altstadt von Bozen fließt der Fluss Talvera, den ich nun überquere. Auch hier scheint der Brauch gemeinsame Schlösser aufzuhängen schon Einzug gehalten zu haben.
Auf der anderen Flussseite erinnert das Monumento alla Vittoria an die Zeit des Fashismus in Bozen. Es ist auf Anordnung von Mussolini persönlich errichtet worden und den Märtyrern des ersten Weltkriegs gewidmet. Auf Grund seiner politischen Symbolik ist das Denkmal heute stark umstritten.
Über die Brücke geht es zurück in die Altstadt. Das Museo Civico beherbergt seit 1905 die reichsten kunst- und kulturgeschichtliche Sammlungen ihrer Art ganz Südtirols.
Direkt daneben – ebenfalls in der Via Museo – wohnt auch schon der berühmte Neandertalermann Ötzi im Museo Archeologico dell’Alto Adige.
Ich hatte schon vorher einiges über die Shoppingmöglichkeiten von Bozen gehört und ich muss sagen, die kleinen Läden und Boutiquen sowie Feinkostmärkte sind eines der Highlights der Stadt. Natürlich sind auch die bekannten Ketten wie Zara und H&M vertreten – wie hier in der Via Mueso.
Besonders schön sind die Boutiquen in den Portici. Die Lauben gelten als Keimzelle der mittelalterlichen Stadtanlage und sind bis heute die wichtigste Straße der Altstadt. Heute findet man hier neben lokalen Designern und Schmuckgeschäften auch internationale Modelabels wie Stefanel und Co. Leider nicht so ganz meine Preisklasse – aber ein Schaufensterbummel lohnt sich allemal.
Am Piazza del Grano (Kornplatz) beende ich meine kleine Stadttour durch Bozen, wo früher der Korn- und Getreidemarkt abgehalten wurde. Durch eine kleine Gasse gelangt man zurück wieder auf den Walthersplatz, wo ich meinen Rundgang begonnen habe. Übrigens kann ich jedem Bozentouristen nur einen Gang in die dort befindliche Touristinformation raten. Dort bekommt man einen Stadtplan, wo alle Sehenswürdigkeiten anhand eines Rundgangs eingezeichnet sind. In Anbetracht der knappen Zeit und des immer schwerer werdenden Rucksacks auf meinem Rücken habe ich den Rundweg etwas abgekürzt. Hätte ich noch ein bisschen mehr Zeit gehabt, hätte ich auf jeden Fall Herrn Ötzi einen Besuch abgestattet.
Auch wenn Bozen und ich keine besten Freunde werden, war es doch schön nach der langen Zugfahrt sich ein wenig die Beine zu vertreten und nebenbei ein bisschen von Bozen kennenzulernen. Sicher ist die Stadt bei blauem Himmel und Sonnenschein noch um einiges schöner. Meran hat mir dennoch besser gefallen – aber das ist sicherlich Geschmackssache.
Hässliche Industriestadt oder mediterrane Schönheit: wie gefällt euch Bozen?