Dichte Nebelschwaden hängen über der Küste, als ich das Centre Nautique von Plougonvelin erreiche. Ich bin verabredet mit Franck, mit dem ich auf eine Sea Kayak Tour in der Rade de Brest gehen werde. Als ich das Gebäude direkt am Strand erreiche macht sein Kollege Bruno schon mit einer Schulklasse Trockenübungen, die gleich zum ersten Mal mit dem Kayak aufs offene Meer dürfen. Die Trockenübungen beiben mir glücklicherweise erspart. Franck drückt mir direkt einen Neoprenanzug in die Hand und schon kann es losgehen. Ich lasse es mir nicht anmerken, dass mich der Neoprenanzug zugegebenermaßen verwundert. Bisher bin ich immer in meinen normalen Klamotten im Kayak unterwegs gewesen. Ich bin froh sicherheitshalber meine GoPro dabei zu haben, denn auch meine Kamera muss bei diesem Abenteuer leider „zu Hause“ bleiben.
„Möchtest du das schnelle oder das gemütliche Kayak?“ fragt mich Franck als wir in voller Montur auf den Strand zusteuern. Natürlich wähle ich das schnelle und frage mich erst nachdem ich mich in die enge Öffnung gezwengt habe, und den Neoprenrock befestigt habe, der mich vor dem 16 Grad kalten Atlantikwasser schützen soll, was ich eigentlich machen muss, wenn ich mit dem schnellen, aber wackeligen Kayak mal umkippen sollte. „Ich bin ja da“, beruhigt mich Franck und lacht.
Während sich der Nebel langsam verzieht paddeln wir zwischen den Fischerbooten hindurch hinauf aufs offene Meer. Das Kayak ist eindeutlig schneller als die, die ich sonst so gefahren bin und so lassen wir schnell die Bucht hinter uns und gleiten über die spiegelglatte See. Und immer wieder begegnen wir Kormoranen, die auf Steinen sitzend ihre Flügel ausbreiten. „Diese seltsame Eigenart dient dazu ihr Gefieder zu trocknen“, erklärt mein gesprächiger Begleiter. Während für mich so eine Kayak Tour fast wie Meditation ist, quatscht Franck pausenlos. Für einen Franzosen spricht er verdammt gut Englisch und hat so einiges an Sprüchen auf Lager. Nach ein paar Minuten akzeptiere ich, dass dieser Ausflug wohl mit wenig meditatives haben wird und lasse mir von Franck die Besonderheiten der Bretonischen Westküste erklären.
Gerade als ich beginne mich in dem sportlichen, wackeligen Ding richtig wohlzufühlen, ist es plötzlich mit ruhiger See vorbei. Wir haben die geschützte Bucht von Plougonvelin hinter uns gelassen und befinden uns nun mitten auf dem Atlantik. Selbst kleine Wellen wirbeln das Kayak auf und ab – samt mir darin. An der Felsenküste zu unserer Rechten brechen die Wellen mit einem tosen gegen die Steilküste. „Siehst du, das liebe ich an der bretonische Küste. Alle paar Meter bist du plötzlich an einem ganz anderen Ort“, freut sich Franck und seine Begeisterung steckt mich an. Auch wenn es noch so viel Spaß macht, über die Wellen zu reiten, kann ich den Anflug von Übelkeit nicht mehr unterdrücken, der mich schleichend befällt.
An unserem Wendepunkt legen wir eine kleine Pause ein und mein Magen beruhigt sich wieder. Die Sonne hat mittlerweile alle Nebelschwaden vertrieben und scheint warm auf uns herab. So warm, dass ich in dem dicken Neopren zu schwitzen beginne. Ich entledige mich dem engen Oberteil und merke erst jetzt, wie mir der enge Halsausschnitt des Anzugs die Luft abgeschnürt hat. Nach ein paar tiefen Atemzügen hat sich dann auch die Übelkeit in Luft aufgelöst und ich kann die Rückfahrt erst so richtig genießen. Außer uns ist niemand auf dem Ozean unterwegs. Was den Wassersport angeht, ist in der Bretagne schon längst Nebensaison. Nur ein paar Segelboote kann ich am Horizont erkennen.
Schließlich wird es Zeit für eine Extraportion Adrenalin: Dank der Flut können wir uns mit dem Kayak auf eine Welle durch einen schmalen Kanal treiben lassen, der sich zwischen den Felsen gebildet hat. Sobald die Welle vorbei ist, setzt man jedoch mit dem Kanu auf und muss auf die nächste Welle warten, die einen wieder ein Stückchen weiter trägt. Franck freut sich wie ein kleines Kind. Für ihn ist die Bretagne der schönste Ort der Welt. Sind die Wellen zu hoch zum Kayaken, geht er Surfen. Und sind sie zum Surfen zu flach, holt er das Kayak raus. Mindestens einmal am Tag ist er draußen auf dem Meer.
Auf den letzten Metern werden meine Arme schwerer und schwerer und ich – auch wenn ich es nie zugegeben hätte – bin froh als unser Strand wieder in Sicht kommt. Wir ziehen die Kanus zurück an Land und verstauen meins auf einem der Träger. Hier an Land ist es noch einmal deutlich wärmer als auf dem offenen Meer und ich genieße es, wie sich die Wassertropfen auf meiner Haut langsam auflösen und einen salzigen Film zurücklassen.
Ich quatsche noch ein bisschen mit Franck und Bruno, dessen Schulklasse bereits auf dem Weg nach Hause ist, bevor ich das Salzwasser von meiner Haut abdusche und in meine normalen Klamotten schlüpfe. Am liebsten würde ich gleich nochmal raus aus Meer, aber meine müden Arme sagen etwas anderes. Franck dagegen ist schon wieder auf den Weg ins Wasser…
Als ich an diesem Abend im Bett liege, fühlt es sich an, als wäre ich noch auf dem Meer. Die sanften Wellen wiegen mich schnell in einen tiefen Schlaf. Bewegung macht eben müde und die frische Seeluft tut ihr Übriges. Für mich ist Sea Kayaking jedenfalls eine tolle Möglichkeit, die bretonische Küste von einer anderen Seite zu erleben und gleichzeitig noch sportlich aktiv zu sein.
Warst du schonmal Sea Kayaken? Wenn ja wo? Wie hat es dir gefallen?
Vielen Dank an Tourisme Bretagne für die Einladung auf diese Reise. Wer auch mal mit Franck und Bruno aufs Meer möchte, findet hier weitere Infos, allerdings nur auf französisch.
Tolles Blogdesign! Und viel Spaß in Südamerika!
♥nic
Vielen Dank, Nic! :-)
Ah, cool! Und natürlich viel spektakulärer als unsere Paddeltour durch Utrecht. :-)
Liebe Grüße
Jessi
Würde ich garnicht mal sagen, dass es in Utrecht weniger spektakulär war. Eben nur einfach anders ;-)
:-)
Sehr gute Beschreibung eines tollen Erlebnisses. Wir können das beurteilen, nachdem wir seit über zwanzig Jahren ein Domizil in der Cotes d’Armor am Meer haben und seit eineinhalb Jahren hier in Paimpol fest wohnen. Fotos, geschossen vom Meer aus, sind zum großen Teil spannungsreicher wegen der ungewohnten Sichtweise Meer – Land.
Bretonische Wintergrüße
Gerhard