Was dem Bayer sein Bier, ist dem Tiroler sein Schnaps – behaupte ich jetzt einfach mal. Schnaps gibt es in Tirol zu allen Anlässen – und gerne auch schon mal Mittags auf der Piste oder statt dem Kaffee am Nachmittag. Nach dem Motto „Ein guter Tropfen in Ehren – kann keiner verwehren“ gehört der Schnaps zur Gastfreundschaft dazu – und der Tiroler ist zutiefst beleidigt, wenn sein Gast den guten Tropfen verwehrt. Was also tun, wenn man – so wie ich – ein absoluter Nichtschnapstrinker ist und zu Gast bei einem der besten Schnapsbrenner Tirols ist.
Regel 1: Lehne niemals einen Schnaps ab, den dir ein Tiroler anbietet
Also der Schnaps und ich, wir zwei werden einfach nicht warm. So sehr ich mich für Weine begeistern kann – dem Hochprozentigen kann ich einfach nichts abgewinnen. Mir tut es eher Leid um das leckere Obst, was Kiloweise für nur einen Liter Schnaps herhalten muss. Aber Reisen sind ja schließlich dazu da, um den Horizont zu erweitern und wann könnte man besser mit dem Schnapstrinken anfangen, als bei einem prämierten Tiroler Schnapsbrenner.
Regel 2: Sorge für eine gute Grundlage
Der Oberkollerhof der Familie Koller liegt auf der Sonnenseite von Söll, oberhalb des Stadtkerns. In der Abendsonne machen wir uns zu Fuß auf den Weg und während wir so durch die saftig grünen Wiesen spazieren, kann ich es kaum glauben, dass wir gerade Mitte Januar haben. Leider hat die deftige Knödelsuppe in meinem Magen doch nicht so lange vorgehalten. Mit einem kräftigen Grummeln vermeldet dieser „HUNGER!“. Wie war das nochmal mit der guten Grundlage…
Der Erbhof Oberkoller ist seit 1492 im Besitz der Familie Koller und einer der ältesten Höfe in der Region. Das alte Bauernhaus ist über 500 Jahre alt und wird zur Zeit renoviert. Ich kann mir schon bildlich vorstellen, wie die Familie dort schon vor einen halben Jahrtausend die Äpfel gepflückt und vermaischt hat.
Wir treffen Simon Koller vor dem Eingang der Brennerei – ein drahtiger älterer Mann, sonnengegerbt und mit einem freundlichen Lachen im Gesicht. Stolz erzählt er uns die Geschichte seiner Schnapsleidenschaft und dass er das Brennen von seinem Vater gelernt hat. Und auch sein Sohn wiederum soll irgendwann mal den Betrieb übernehmen. Während die Sonne draußen untergeht, machen auch wir es uns in der Brennerei gemütlich.
Regel 3: Ein guter Apfel macht noch lange keinen guten Schnaps und
Simon erzählt uns, dass hier in Tirol nur die alteingesessenen Sorten gedeihen, die an das raue Klima angepasst sind. Wie zum Beispiel die Salvenkirsche, die ein Nachbar von ihm aus Russland mitgebracht hat und die sein Vater dann auf 1.200 Metern veredelt hat. Diese Kirsche ist für die Region berühmt und eignet sich hervorragend zum Schnapsbrennen. Daneben stellt er auch noch Obstler, Apfel-, Mirabellen- und Birnenschnaps sowie seine Spezialitäten Holunder- und Vogelbeerschnaps her. Beim Schnapsbrennen komme es auf die Kombination aus gutem Obst und langjähriger Brennerfahrung an, sagt er.
Regel 4: Ein guter Brenner ist der, der mit der Zeit geht
Man kann förmlich die Leidenschaft in seinen Augen sehen, als der Brennmeister von seiner neue Brennanlage erzählt, die vor fünf Jahren in seinen Besitz gewandert ist. Man müsse eben mit der Zeit gehen. „Früher war der Schnaps lange nicht auf dem Niveau, auf dem er heute ist.“ Früher habe man den Schnaps bis auf den letzten Tropfen gebrannt, was zur Folge hatte, dass mit den letzten Tropfen Abfallprodukte mit in das Destillat wandern, die beim Trinken das kratzende Gefühl hervorrufen. Simon Koller besucht auch heute noch regelmäßig Fortbildungen, bei denen er das Neuste in Sachen Brennkunst erfährt. Es gäbe auch Brenner, sagt er, die auch heute noch nach dem Rezept des Urgroßvaters brauchen würden und dieses seit dem nicht verändert hätten. Aber wer Schnäpse auf höchsten Niveau herstellen will, der muss sich eben weiterbilden.
Regel 5: Gut gemaischt ist halb gebrannt
Ohne eine gute Maische wird aus dem besten Obst kein guter Schnaps. Festeres Kernobst wird in einer Mühle zerkleinert. Beim Verarbeiten von Steinobst ist darauf zu achten, dass die Steine nicht beschädigt werden – sonst gibt es nachher ein bitteres Aroma im Schnaps. Während der Gärung und beim Brennen können die ganzen Steine aber in der Maische verbleiben. Je nach Sorten muss die Maische rund sechs bis acht Wochen gären. Das tut sie eigentlich von ganz alleine – man kann aber mit Gährhefen nachhelfen. Ein Zuckerzusatz ist streng verboten – die Früchte müssen den Zuckergehalt von Natur aus mitbringen. Daher ist es wichtig, nur vollreifes Obst zum Maischen zu verwenden. Wichtig ist auch, die Maische nach Abschluss des Gährprozesses sofort zu verarbeiten, weil sich das sonst ebenfalls negativ auf das Schnapsaroma auswirkt.
Regel 6: Ein guter Schnaps darf nicht brennen
Dann wird es ernst: es geht zur Verkostung. Simon trägt einen riesigen Korb mit verschiedenen Schnapsflaschen die Treppe zum Gastraum hinauf, wo bereits ein Tisch mit vier Schnapsgläsern auf uns wartet und mir wird schon beim Anblick ganz schwindlig. Vielleicht liegt es aber auch an meinem leeren Magen, der sich gerade mehr nach Essen als nach Alkohol sehnt. Aber ich hatte mir vorgenommen, jeden Schnaps wenigstens zu probieren und ich muss gestehen nach all dem Schnapsgerede war ich wirklich neugierig, ob ich tatsächlich einen unterschied zwischen Simons Schnäpsen und denen aus dem Supermarkt merken würde. Mein Fazit: 1. Schnaps riecht immer besser als er schmeckt, 2. Simons Schnäpse brennen wirklich überhaupt nicht und 3. ich hätte definitiv mehr zum Mittag essen sollen.
Regel 7: Ein Schnaps ist kein Schnaps
Ein Schnaps nach dem anderen wanderte also in mein Glas und ich probierte eisern jeden einzelnen. Mein Favorit war ganz klar die Salvenkirsche – bei der ich ihr süßlich-mildes Aroma sogar trotz der dominanten 48 Prozent Alkohol vernehmen konnte. Zum Abschluss präsentiert uns Simon schließlich die Meisterwerke seines Sohnes, nämlich: Liköre. Denn der Sohn des Hauses widmet sich leidenschaftlich der Herstellung der süßen Schwester des Schnases. Und das sogar sehr erfolgreich. Wie der Papa gewinnt auch der Sohn mit seinen Kreationen regelmäßig Preise. Auch wenn ich eigentlich auch keine Liköre mag, hat mich der säuerlich-fruchtige Johannisbeerlikör so begeistert, dass gleich eine Flasche davon als Mitbringsel in meine Gepäck gewandert ist. Und das will schon was heißen!
Regel 8: Wer zuerst kommt, kriegt den Schnaps
Wenn man Simon Koller fragt, warum er für seine Schnäpse keine Werbung macht, bekommt man die einfache Antwort: „Ich brauche keine Werbung. Wenn ich auch noch Werbung machen würde, könnte ich garnicht so viel brennen, wie die Leute kaufen würden.“ Schon jetzt komme er an seine Grenzen und seine Bestseller gehen auch ohne Werbung weg wie warme Semmel. Und auch an diesem Abend ist Simon wieder um vier Flaschen ärmer geworden. Und wenn mich zu Hause mal die Sehnsucht nach Tirol packt, dann schenke ich mir ein Gläschen Johannisbeerlikör ein und träume von Obstwiesen, Bergen und Bauernhäusern.
In diesem Sinne: Prost!
Die Tiroler Schnapsroute
Der Kollerhof ist Teil der Tiroler Schnapsroute, auf der man seit dem Sommer 2013 die Faszination der Veredelung von Obst zu edlen Destillaten erleben kann. Rund 37 Partnerbetriebe in Nord- und Osttirol laden die Gäste dazu ein, ihre Brennereien zu besuchen. Der Kollerhof befindet sich oberhalb des Ortskerns von Söll. Jeden Dienstag um 14.45 Uhr zeigt kann er im Rahmen einer Führung samt Verkostung besichtigt werden. Die Anmeldung zur Besichtigung erfolgt im örtlichen Touristbüro in der Regel am Vortag.
Vielen Dank an Tirol Werbung und den Tourismusverband Wilder Kaiser für die Einladung nach Söll.
Mir geht es da genauso wie dir: Wein liebe ich, Schnaps hasse ich! Wie kann man etwas trinken, das einen dazu bringt, sich zu schütteln und das Gesicht zu verziehen? Liköre können aber ganz gut schmecken, finde ich.
Liebe Grüße
Jessi
Ganz ehrlich: bei diesen Schnäpsen musste man echt nicht das Gesicht verziehen! Trotzdem sind mir Schnäpse im Allgemeinen zu alkohollastig ;-)
Dann sollte ich vielleicht auch mal einen guten Schnaps probieren. Ist aber dann ja trotzdem nichts, was man wirklich länger genießen kann; zack und weg (viel trinken kann man davon ja eh nicht). :-)
Oh da frag mal einen eingefleischten Schnapskenner ;-) Der Likör vom Kollerhof ist wirklich grandios – schön fruchtig und nicht so süß-klebrig wie die Liköre, die ich sonst so kenne :-) Ich heb dir auf jeden Fall mal ein Glas für deinen nächsten Besuch auf!!!
Über den wir noch sprechen müssen! ;-)
Ich weiß schon, was ich mit meinem Freund machen kann wenn wir mal wieder ‚da unten‘ sind :-)
Ist er so ein Schnapsfan?