Wer an die Schweiz denkt, denkt oft nur an schroffe Berge und eiskalte Bergseen. Davon, dass die Schweiz noch vielfältiger ist, konnte ich mich nicht nur im mediterranen Tessin überzeugen. Auch das Jura & Drei-Seen-Land, gar nicht weit von der deutschen beziehungsweise französischen Grenze entfernt, besticht durch eine abwechslungsreiche Landschaft aus sanften Hügeln, mystischen Wäldern und glasklaren Seen – und das auch ohne hohe Berge. Wer also morgens noch mit dem Kanu über den Bieler-, Murten- oder Neuenburgersee paddeln und nachmittags über die grünen Hochebenen zu spektakulären Felsenklippen wandern möchte, ist im Jura & Drei-Seen-Land genau richtig.
Und von der französischen Grenze schwappt dazu noch ein bisschen „Savoir Vivre“ hinüber, so dass die Städtchen wie Biel, Neuchâtel und Porrentruy einen fast schon südländischen Charme versprühen. Nicht nur einmal vergaßen wir komplett, dass wir uns in der Schweiz und nicht in Frankreich befanden. Sechs Orte in der Region, die (vor allem im Sommer) zum Naturgenuss einladen, möchte ich euch heute vorstellen.
#1 – Kanu fahren auf dem Bieler See / Lac de Bienne
Die Stadt Biel und der angrenzende Bielersee befindet sich direkt auf der deutsch-französischen Sprachgrenze. Er ist neben dem Murtensee und dem Neuenburgersee einer der drei grossen Jurarandseen. Mit seinen milden Temperaturen bis 23 Grad und dem klaren Wasser ist er nicht nur ideal zum Baden geeignet, sondern auch ein Eldorado für Wassersportaktivitäten wie Kanu fahren oder Stand-Up-Paddling, bei denen es durchaus auch einmal nass werden kann (ob gewollt oder ungewollt).
Im ruhigen Hafen von Nidau könnt ihr euch bei Globepaddler Bielersee ein Kanu oder Kayak für jede Könnerstufe besorgen – vom gemütlichen Kanadier, über einfache Sitontops bis hin zu sportlichen Kayaks. Wer einen ganzen Tag Zeit hat, paddelt von Nidau zur St. Petersinsel, dem Zufluchtsort von Jean-Jacques Rousseau. Die einfache Strecke dauert mindestens zwei Stunden, also solltet ihr auf jeden Fall genug Zeit und Kondition mitbringen und auch die Strömungen beachten. Dann aber erwartet euch eine Landschaft, die fast schon ein wenig an Kanada erinnert. Es gibt natürlich auch geführte Touren. Oder ihr paddelt einfach drauflos und genießt die sanftere Strömung am Ostufer. Das war eigentlich auch unser Plan, allerdings trieb uns die Strömung beim Fotos machen am Ende so weit Richtung Insel ab, dass wir wir gute eineinhalb Stunden zu spät kamen und am nächsten Tag ordentlich Muskelkater hatten.
Wers gemütlicher mag, lässt sich in einem der 25 Strandbäder entlang des Sees nieder oder erkundet gleich alle drei Jurarandseen bei einer (großen) Schiffsrundfahrt.
Bonus Tipp: Wer sich am Abend (vegetarisch) stärken möchte, dem kann ich das St. Gervais in der Bieler Altstadt nur empfehlen. Die ist übrigens auch durchaus sehenswert!
#2 – Der Sommêtre-Grat
Der überraschendste und eindrucksvollste Aussichtspunkt im Kanton Jura ist der Sommêtre-Grat auf 1.079 Metern Höhe. Spektakulär erhebt sich der schroffe Felsengrat aus der hügeligen Hochebene. Vom Ort Muriaux führt ein rund 45 minütiger Spazierwanderweg zunächst durch grüne Tannenwälder und später über in den Stein geschlagene Stufen zum Gipfel. Diese sind Relikte aus dem Mittelalter, als auf dem schmalen Felskamm eine angeblich uneinnehmbare Burg thronte.
Neben ein paar spärlichen Burgüberresten (in Form von Steinhaufen) gibt es dort oben eine kleinen Schutzhütte (in der man auch übernachten kann) sowie ein Gipfelkreuz. Und natürlich das Beste: die uneingeschränkte Sicht auf die Hochebene von Maîche im Norden und die Freiberge und den Chasseral im Süden. Zurück geht es entweder auf dem gleichen weg oder über Les Combes zur Klinik Le Noirmont auf Roc Montès und von dort zurück ins Dorf.
Bonus Tipp: Maria Luisa Wenger bietet ganz in der Nähe oberhalb von Le Noirmont Wildpflanzenkurse und therapeutische Spaziergänge an.
#3 – Geheimtipp Etangs de la Gruère
Der Weiher Etang de la Gruère (im gleichnamigen Naturschutzgebiet) liegt mitten in einem ausgedehnten Hochmoorgebiet und entstand einst im 17. Jahrhundert durch Aufstauung eines Erddamms, um eine Mühle zu betreiben. Heute ist der vom Wald umgebene Weiher eher ein Geheimtipp und besonders bei Einheimischen beliebt. Mit Badeklamotten und Picknick ausgestattet finden sie in den späten Abendstunden immer ein ruhiges und sonniges Plätzchen am See.
Wer mag kann in 45 Minuten den Teich umrunden oder ihr lasst euch gleich an meinem Lieblingsplatz, einem kleinen Steg an der Westseite des Sees nieder, wo ihr im Sommer bis in die späten Abendstunden noch die Sonne genießen und euch an einer Landschaft erfreuen könnt, die tatsächlich mehr an Finnland oder Kanada erinnert.
Bonus Tipp: Nur eine halbe Stunde mit dem Auto vom Teich entfernt, wohnt ihr stilvoll und individuell im Gästehaus im Jugendstil Passion d’une Vie in La Chaux-de-Fonds
#4 – Übernachten im Baumhaus (Les Cabanes du Mont)
Ihr wolltet schon immer mal in einem Baumhaus mitten in der Natur übernachten? Dann habt ihr unweit von Porrentruy in den Les Cabanes du Mont die Möglichkeit dazu. Der Besitzer Christophe Tallat hat mitten im Wald vier individuelle Baumhäuser konstruiert und liebevoll dekoriert. Zwei bis maximal fünf Personen können in den Hütten namens „Nostalgie“, „Nature“, „Aventure“ und „Jurassicab“ unterkommen.
Die Baumhäuser haben eine voll ausgestattet Küche, ein großzügiges Bad, gemütliche Holzterrassen und damit alles, was das Glampingherz begehrt. Wifi gibt es auch. Ich kann mir keine entspanntere Art vorstellen, einen aktiven Tag im Jura ausklingen zu lassen, als bei einem deftigen Käsefondue und einem Glas Weißwein auf der hölzernen Terrasse mitten im Wald. Ihr?
Bonus Tipp: Auch das Städtchen Porrentruy ist einen Besuch wert. Abseits der üblichen Pfade könnt ihr dieses über den Circuit secret (Geheimen Rundweg) erkunden.
#5 – Karibikflair am Neuenburgersee / Lac de Neuchâtel
Der Neuenburgersee oder Lac de Neuchâtel ist mit knapp 40 Kilometern Länge und 8 Kilometern Breite nicht nur der größte der drei Jurarandsehen, sondern auch der der größte der ganzen Schweiz. Die gleichnamige Stadt Neuenburg oder Neuchâtel liegt am am Nordwest-Ufer des Sees, der sofort durch seine türkise Färbung auffällt. An einigen Stellen erinnert das Ufer mit seinen hellen Kiesstränden fast ein wenig an Griechenland.
Ob es daran liegt, an dem mediterranen Ambiente oder dem französischen Charme, der überall in den Altstadtstraßen zu spüren ist (oder auch dem phantastischen Wetter bei unserem Besuch) – aber Neuchâtel versprüht Urlaubsfeeling pur. Studenten picknicken an den Ufern, Familien sitzen in den zahlreichen Cafés bei Kaffee und Kuchen, Fußballfreunde schauen die neusten Spiele und in einigen Straßen stehen sogar Palmen.
Wen es mehr raus in die Natur zieht, schlendert einfach vom Hafen aus nach Westen und sucht sich eine schöne Badebucht, schippert mit dem Schiff los, oder leiht sich eins der Tretboote direkt im Hafen. Einen schönen Ausblick auf den ganzen See gibt es übrigens auch von der Passarelle de l’Utopie, einem modernen Steg mit Aussichtsplattform.
Bonus Tipp: Eine Stadtbesichtigung der besonderen Art führt individuell oder geführt durch das Neuchatel zur Zeit der Belle Epoche.
#6 – Creux du Van – der Grand Canyon der Schweiz
Der Creux du Van ist wohl einer der unwirklichsten Orte, an denen ich je war. Wie eine Art gigantisches Amphietheater umschließen bis zu 160 Meter hohe, senkrechte Felswände einen vier Kilometer langen und mehr als einen Kilometer breiten Talkessel. Dieser natürliche Felsenzirkus befindet sich an der Grenze der Kantone Neuenburg und Waadt und entstand vor 200 Millionen Jahren durch die Gletscher und Kalkablagerungen des urzeitlichen Meers.
Ein schmaler Wanderweg führt entlang der Felsenkante und bietet spektakuläre und schwindelerregende Ausblicke auf und über den Canyon. Aber nicht nur die Ausblicke sind besonders. Durch das Klima in der Hochebene ist so außergewöhnlich, dass sich dort eine quasi arktisch-alpine Flora im Felsengebiet angesiedelt hat, in der sich unter anderem Gämsen, Steinböcken und Luchse wohl fühlen. Ihr Lebensraum wird durch ein 25 Quadratkilometer großes Reservat geschützt, auch ist in der Diskussion, ob der Felsenzirkus weiterhin über für Wanderer frei zugänglich bleiben wird.
Noch könnt ihr die Aussicht aber unverbaut (und ungesichert) genießen. Einzig der starke Wind hat uns an diesem Tag einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn der war so stark, dass wir teilweise über andere Wege ausweichen mussten, die weiter von der Kante entfernt lagen, damit wir nicht von einer Windböe erfasst und in die Tiefe gestürzt wären. Aber keine Sorge: unser Guide Myrianne hat uns versichert, dass so ein starker Wind dort nur höchst selten herrscht. Ihr werdet also in Sachen Fotos wahrscheinlich deutlich mehr Glück haben als wir. Aber hey: better safe than sorry oder? Und der Creux du Van hat mich sicher nicht das letzte Mal gesehen!
Bonus Tipp: Gemütliche Hüttenatmosphäre und eine zünftige Mittagsrast bietet das Restaurant Le Solidat unweit der Felsenkante.
Ward ihr schon mal im Jura & Drei-Seen-Land? Und wenn ja, was ist euer Lieblingsort? Wo muss ich unbedingt mal hin? Und welcher der sechs Orte interessiert euch am meisten?
PS: Weitere Tipps zu den zauberhaften Städtchen im Jura & Drei-Seen-Land findet ihr bei Julia von Globusliebe und Julia von Des Belles Choses stellt ihre kulinarischen Highlights vor.
* In Zusammenarbeit mit der Region Jura & Drei-Seen-Land
Wer sich noch nie damit beschäftigt hat, kann nicht im geringsten erahnen welche tollen Ausflugsort die Schweiz zu bieten hat. Und was man da alles erleben kann. Wer sie auf Berge und Käse reduziert hat definitiv etwas verpasst