Seit 1998 verbindet ein Tunnel die Stadt Borganes mit der Hauptstadt Reykjavik und erspart Reisenden einen Umweg von rund 70 Kilometern entlang des Hvalfjörðurs, einem 30 Kilometer tiefen Fjords im Westen Islands. Allerdings entgeht ihnen damit ein ein wunderschöner Teil Isländischer Landschaft mit einer Mischung aus saftig grünen Wiesen und schroffen Berghängen, die sich im ruhigen Wasser des Fjordes spiegeln. Wir nehmen nicht den Tunnel, sondern machen den Umweg entlang des Hvalfjörðurs zum Ziel der zweiten Etappe unseres Island-Roadtrips.
Von Reykjavik nach Akranes
Es dauert ein wenig bis wir die letzten Häuseransammlungen im Großraum Reykjavik hinter uns lassen und die Einsamkeit und Weite genießen können, die Island ausmacht. Auch wenn die Stadt selbst nur knapp über 100.000 Einwohner hat, zieht sich das Ballungsgebiet weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Richtig einsam wird es erst, als wir die Ringstraße nach 30 Kilometern verlassen und statt in den Tunnel in die wunderschöne Fjordlandschaft des Hvalfjörðurs eintauchen. Seinen Namen, der auf Deutsch „Walfjord“ bedeutet, hat der Hvalfjörður jedoch nicht etwa, weil sich in der Bucht so viele Wale tummeln. Vielmehr stammt er von einer alten Sage, nach der sich in einem See hinter der Spitze des Fjordes ein böser Wal versteckt.
Der Hvalfjörður ist besonders bei Vogelfreunden beliebt. Naturparadies. An einem Parkplatz etwa 15 Kilometer nach dem wir die Ringstraße verlassen haben, gibt es eine große Informationstafel, auf der alle Vogelarten verzeichnet sind, die sich in der Bucht tummeln. Ich versuche mich ein wenig in Vogelfotografie woran ich mehr oder weniger kläglich scheitere. Dann bleibe ich doch besser bei Landschaft – die bewegt sich wenigstens nicht.
Wir entscheiden uns für einen Abstecher auf die Halbinsel Hvammsvík, die durch eine Schotterstraße mit der Hauptstraße verbunden ist. Auf der Insel gibt es zwei Häuser, denen wir wohl auch die Schotterstraße verdanken. Auf der Halbinsel gibt es noch mehr Vögel – überall flattert, pipst und raschelt es im hohen Gras. Die saftig grünen Wiesen sind über und über mit gelben Blumen überseht und man kann kaum glauben, dass diese Landschaft ebenfalls ein Teil von Island ist – jedenfalls im Sommer.
Die Briefkästen befinden sich in Island übrigens bei kleinen Gehöften bereits an den Abzweigungen zur Hauptstraße – mitten im Nirgendwo. Es gab in Hvammsvík auch mal einen wunderschön gelegenen Hotpot, der ist jedoch inzwischen stillgelegt. Dieses Schicksal teilt er mit vielen heißen Pools auf der ganzen Insel. Es gibt nämlich immer wieder Badegäste, die nach dem Bad ein Meer der Verwüstung hinterlassen – und darauf haben viele Potbesitzer verständlicher Weise keine Lust.
Zurück auf der Hauptstraße begegnen wir nur wenige Kilometer später dem Sjavárfoss, einem kleinen Wasserfall direkt an der Straße. Für isländische Verhältnisse ist der Sjavárfoss eigentlich nicht sonderlich spektakulär, aber irgendwie fasziniert er mich. Ebenfalls interessant sind die Ruinen, die sich direkt neben dem Wasserfall im Gras verbergen. Ich würde gerne mehr zu der Gegend herausfinden, jedoch ist das Hinweisschild nur auf Isländisch und ich bekomme so lediglich den Namen des Wasserfalls heraus.
Je weiter wir ins Talinnere vordringen, desto steiler werden die Berge. Die Landschaft wird dominiert von den beiden Schildvulkanen Múlafell und Þýrill sowie dem Tafelvulkan Hvalfell.
Auf der anderen Seite des Fjordes angelangt passieren wir eine Walfangstation, wo bis heute noch (angeblich nur zu Forschungszwecken) Wale zerlegt und weiterverarbeitet werden. Der Walfang ist in Island erschreckender Weise seit 2006 wieder zu kommerziellen Zwecken erlaubt. Trotz Protesten von Naturschützern und der Tourismusindustrie steht der Wal in vielen Lokalen heute noch beziehungsweise wieder auf der Speisekarte. Tipp: Wer solche Restaurants umgehen möchte, kann auf das „Whale friendly“ Logo achten.
Ein paar Kilometer später passieren wir die Kirche Saurbaer, die durch den auch heute noch beliebten Psalmdichter und Pfarrar Hallgrímur Pétursson im 17. Jahrhundert bekannt wurde. Da sich dort gerade eine Busladung Touristen tummelt, setzen wir unsere Fahrt schnell fort.
Am Ende des Fjordes treffen wir schließlich wieder auf die Ringstraße. Bevor es jedoch weiter nach Norden geht, machen wir einen kurzen Abstecher zur Hafenstadt Akranes, die mit rund 6.000 Einwohnern die größte Stadt im Westen Islands ist.
Besonders schön sind die zwei Leuchttürme, die sich an der steinigen Küste befinden. Der große Leuchtturm kann kostenlos besichtigt werden. Die Besitzer sind super freundlich und bitten lediglich um einen Gästebucheintrag. Im Inneren des Turms sind einige Kunstwerke ausgestellt, die größtenteils den Leuchtturm abbilden. Von der Aussichtsplattform hat man eine tolle Sicht auf die Küste mit dem kleinen Leuchtturm zur einen sowie die Stadt zur anderen.
Gegen Nachmittag erreichen wir schließlich unsere Unterkunft in Borganes und haben somit statt einer Stunde durch den Tunnel ganze fünf gebraucht. Aber der Weg ist eben das Ziel.
Ein Abstecher zu den Hraunfossar
Da der Tag noch jung ist und das Wetter immer vielversprechender aussieht, machen wir uns nach dem Check-in auf den Weg zum Hraunfossar. Auf einer Länge von ca. 700 Meter strömt hier in über hundert kleinen Wasserfällen das Wasser aus dem schwarzen Gestein des Lavafeldes Hallmundarhraun. Das Wasser stammt aus dem Fluss Hvitá, der vom Langjökull-Gletscher gespeist wird. Ein kleiner Seitenarm des Flusses versickert in der porösen Lava des und fließt unterirdisch weiter. Schließlich kommt das Wasser in Form der Hraunfossar wieder zu Tage.
Ein schmaler Pfad führt über eine Brücke flussaufwärts, von der man einen weiteren Wasserfall, den Barnafoss bewundern kann. Der Name „Kinderwasserfall“ geht auf eine Sage zurück, nach der die Bewohner des Hofes Hraunsás zum Weihnachtsgottesdienst fuhren und ihre zwei Kinder zurück ließen. Als sie zurückkehrten, waren die Kinder verschwunden. Ihre Spur führte zum Fluss, wo Sie von einem natürlichen Steinbogen abgestürzt und in den Fluss gefallen sind. Die verzweifelte Mutter ließ daraufhin den Steinbogen zerstören, damit sich eine ähnliche Tragödie nicht wieder ereignen kann.
Eigentlich wollen wir auf dem Rückweg noch die heißen Quellen Deildartunguhver besuchen, nehmen jedoch die falsche Abzweigung und finden uns plötzlich in mitten bergiger Natur auf der Straße 50 wieder. Da die Straße jedoch ebenso wie die Ringstraße nach Borganes führt genießen wir den ungeplanten Abstecher, der von strahlendem Sonnenschein begleitet gleich noch mehr Spaß macht.
Sonnenuntergang in Borganes
Island ist immer gut für Überraschungen. Als ich mich eigentlich schon für die Nacht fertig gemacht habe, werfe ich noch einen kurzen Blick aus dem Fenster, von dem man die Küste des Borgarfjörður erspähen kann. Es ist kurz vor 12 statt des erwarteten Gra-in-Grau leuchtet mir ein goldenes Licht entgegen. Ich kann es nicht glauben. Sollte ich etwa heute endlich meinen ersten „Mitternachtssonnenuntergang“ zu Gesicht bekommen?
Schnell schlüpfe ich zurück in meine Klamotten und stürze nach draußen. Der Garten des Guesthouses ist direkt mit dem Strandweg verbunden. Wo ein paar Stunden zuvor noch das graue Meer war, spiegeln sich jetzt die Berge und Häuser auf der spiegelglatten Oberfläche. Es dauert nicht lange, dann ist das Schauspiel vorbei und die Sonne versteckt sich wieder hinter der dichten Wolkendecke. Aber dieser Sonnenuntergang wird uns alleine deshalb in besonderer Erinnerung bleiben, weil es der einzige ist, den wir auf unserer Islandreise zu Gesicht bekommen werden.
Mein Island Guide: Islands Westen – Borganes
Länge der Etappe: 150 Kilometer, mit Abstecher zu den Hraunfossar 270 Kilometer
Dauer: 4 Stunden reine Fahrzeit, mit Zwischenstops etwa 8-10 Stunden
Start/Ziel: Startpunkt dieser Etappe ist Reykjavik und Endpunkt Borganes mit einem Abstecher ins Hochland
Meine Highlights: Die eindrucksvolle Fjordlandschaft des Hvalfjörðurs, der Hraunfossar, Sonnenuntergang in Borganes
Mein Tipp: Ich kann nur empfehlen den Umweg entlang des Havalfjördurs zu nehmen und für die Erkundung der Landschaft ausreichend Zeit einzuplanen. Der Abstecher zum Hraunfossar hat sich ebenfalls gelohnt – uns jedoch noch einmal rund 120 Kilometer mehr auf dem Tacho eingebracht. Da wir am nächsten Tag jedoch die Halbinsel Snaefellsness erkunden, wären wir dort ansonsten nicht vorbei gekommen.
Wie hat euch diese Etappe unseres Island-Roadtrips gefallen?
Schöner Artikel, und sehr schöne Fotos! Ein Freund von mir und ich waren letztes Jahr mit dem Fahrrad unterwegs, was noch mal ein bisschen eindrucksvoller ist, als mit dem Auto.
Direkt an der Spitze des Fjordes kann man übrigens zum Glymur wandern – den angeblich höchsten Wasserfall Islands. Wenn ihr noch ein bisschen Zeit und Lust habt, würde ich mir den unbedingt anschauen.
Viel Spaß noch auf eurer Reise!
Hallo Sascha, vor den Fahrradfahrern auf Island habe ich größten Respekt! Wow! Das Wetter war leider echt zu schlecht für eine Wanderung. Aber vielleicht beim nächsten Mal :-) LG Jana
Danke für den tollen Artikel! Wir fliegen im Mai nach Island und solch einen Beitrag habe ich schon die ganze Zeit gesucht!
Viele Grüße und danke,
Yvonne