Ein Tag auf dem Fischerboot im Naturschutzgebiet Sept Îles

Dichte Nebelschwaden hängen über der Küste… Halt stopp, das hatten wir ja schon mal. Es stimmt aber, denn schon wieder verschluckt die bretonische Nebelsuppe ganze Fischerdörfer, wie den Ort Ploumanac’h an der Nordküste der Bretagne.

Aber fangen wir anders an: Auf Reisen stelle ich mir gerne vor, wie es so wäre wenn ich nicht in einer Kleinstadt am Rande des Harzes aufgewachsen wäre, sondern in einem anderen Land, in einer anderen Region und einer anderen Familie. Was würde ich machen? Womit würde ich meinen Lebensunterhalt verdienen? Wie würde ich mich kleiden? In diesem Fall stelle ich mir die Frage: wie würde mein Leben wohl aussehen, wenn ich hier im rauen Nordwesten Frankreichs geboren worden wäre – so wie Tangi, ein sympatischer 25-jähriger Fischer, den ich einen Tag auf seinem Fischerboot begleite.

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Neben mir wartet noch ein älteres französisches Ehepaar darauf, dass Tangi mit dem kleinen roten Beiboot bis zu seinem Kahn gerudert und uns mit diesem am glitschigen Steg in Empfang nimmt. Wir haben Flut und das ist auch gut so – denn anderenfalls könnten wir den Hafen nicht verlassen. Durch die dichten Nebelschwaden, die in Richtung Küste immer dichter werden, bahnen wir uns unseren Weg zu den Sept Îles. Die kargen sieben Inseln sind heute unbewohnt. Bereits 1912 wurden die „Sieben Inseln“ zum Naturschutzgebiet erklärt und sind damit das älteste Reservat der Bretagne.Bei Touristen sind sie vor allem auf Grund ihres Vogelreichtums bekannt. Im Winter und Frühjahr kann man hier sogar die seltenen Papageientaucher antreffen.

Außer uns verlässt kein Boot heute den Hafen. Während zwischen dem 1. April und dem 30. September täglich vormittags und nachmittags mehrere Ausflugsboote für einen permanenten Besucherstrom zu den Inseln sorgen, haben wir das gesamte Archipel für uns alleine. Je weiter wir aufs Meer herausfahren, desto kälter wird der Wind und der kalte Nebel scheint regelrecht durch meine Regenjacke zu kriechen. Ich trage alles, was ich dabei habe und ziehe mich ins windgeschützte Hintere des Bootes zurück.

Der kleine Kahn ist ausschließlich auf die Fischerei ausgelegt. Neben einer kleinen Holzbank gibt es keine Sitzgelegenheiten. Ich lehne mich an das Geländer und beobachte Tangi wie er das Boot zielsicher durch den Nebel navigiert. An der Hauptinsel, der Île aux Moines, lassen wir das kleine rote Beiboot zurück, das wir bis dahin hinter uns hüpfend über die Wellen gezogen haben.

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Ich schaue ihm noch eine Weile nach, bis es im Nebel verschwindet. Dann wende ich meinen Blick wieder nach vorne, denn Tangi möchte uns die auf den Inseln lebenden Kegelrobben zeigen. Weil wir ein bisschen spät dran sind, gibt er dem Boot die Sporen und wir rasen durch den Nebel auf ein paar schwarze Punkte am Horizont zu. Als wir schon dachten die Robben an diesem Tag verpasst zu haben, sehen wir sie plötzlich auf ein paar Felsen liegen. Der kalte Nebel scheint ihnen nichts auszumachen. Die jüngeren spielen in der Brandung, während die dicken älteren Tiere faul herumliegen.

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Nachdem wir das Schauspiel eine Weile beobachtet haben, besuchen wir eine weitere Gruppe von „Einheimischen“ – und zwar eine riesige Kolonie von Basstölpeln, die ich auf einem besonderen Felsen der Inselgruppe angesiedelt haben. Sie kamen wohl irgendwann zufällig mal hier vorbei und fanden die Gegend so schön, dass sie sich zu einer riesigen Gruppe vermehrt haben. Bevor wir die Vögel erkennen können, verrät sie ihr Geschnatter, das – je näher wir kommen – zu einem ohrenbetäubenden Kreischen anwächst. Es herrscht ein reger Verkehr über unseren Köpfen, denn die Elternteile müssen für Ihre Jungen in den Nestern im Fels für regelmäßigen Nahrungsnachschub sorgen.

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Nicht weit von der Basstölpel-Insel entfernt, taucht eine Boje aus dem Nebel auf. Jetzt geht es an die Arbeit. Denn wir sind nicht nur zum Spaß hier. Während Tangi im Sommer die Touristen auf einem alten Segelboot zu den Inseln navigiert, verdient er in der kalten Jahreszeit mit dem Hummerfischen sein Geld. Die Boje markiert die Stellen, an denen er am Vortag die Käfige ausgelegt hat, in der sich jetzt vielleicht ein paar dicke Hummer verirrt haben. Die Käfige sind mit Seetang behängt und mit einem Köder versehen, welcher die Krustentiere anlocken soll. Wie an einer Perlenschnur zieht Tangi jetzt einen Käfig nach dem anderen aus dem trüben Wasser. Durch eine kreisrunde Öffnung zieht er jetzt nach und nach allerlei Krustengetier heraus und wirft es zurück ins Wasser. Dann kommt schließlich ein Hummer zum Vorschein.

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Mit einer Messzange prüft er seine Größe. Der Hummer hat Glück. Er ist zu klein und darf wieder zurück ins Meer. So viel Glück haben leider nicht so viele Artgenossen. Ganze acht Hummer wandern in die Plastikschalen auf dem Boot. Schlecht für unser Karma – aber gut für Tangi. Nicht nur zum Schutz des Menschens, sondern auch zum Schutze der anderen gefangenen Artgenossen werden die Scheren der Krustentiere mit einem oder mehreren Gummibändern gesichert. Was anderenfalls passieren würde, sehen wir deutlich, als wir auf einen Käfig treffen in dem sich gleich zwei Hummer befinden – beziehungsweise befanden. Einen von beiden, in diesem Fall das schwächere Weibchen holen wir in zwei Hälften aus dem Korb. „Mein Abendessen“, freut sich Tangi. Einen halben Hummer kann er nämlich nicht verkaufen.

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Ich bin so konzentriert auf das Fischen, dass ich mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu betrachte, dass ich garnicht merke, wie sich langsam aber sicher die Sonne zwischen den Wolken hindurch schiebt. Zeit für eine Mittagspause. Wir steuern erneut die Île aux Moines an, welche im Sommer auch von den Touristengruppen gerne angefahren wird. Auf der Insel gibt es einen Leuchtturm und ein paar alte Befestigungsanlagen. Wir steigen ein Stück den Berg hinauf und lassen uns auf einer Mauer nieder, die einen schönen Blick auf das Meer bietet. Tangi zieht eine Flasche Weißwein aus dem Rucksack und reicht jedem von uns einen Becher. Bei einem Picknick genießen wir die Aussicht, die Stück für Stück aus dem Nebel auftaucht. Plötzlich ist das einst so graue, bedrohliche Wasser smaragtgrün und strahlt im Licht der immer stärker werdenden Sonne. Als wir zu einem Spaziergang über die Insel aufbrechen sind unsere kalten Glieder aufgewärmt und sogar die Jacken brauchen wir jetzt nicht mehr.

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Leider hält das Schauspiel nicht allzu lange an. Als wir zurück an Bord gehen, ist die Inselwelt bereit wieder im Nebel verschwunden. Bevor wir  die Küste ansteuern, suchen wir noch ein paar weitere Fangstellen auf. Leider oder glücklicherweise (ich bin mir bis heute nicht so sicher) haben wir am Nachmittag weniger Glück und es wandert nur ein dicker Taschenkrebs in die Fangkiste. Seine dicken Scheren sind mindestens drei Zentimeter dick. Ein paar Gummibänder helfen hier nicht weiter, erklärt Tangi, als ich ihn erschreckt angucke. Denn mit einem gezielten Schnitt in die Scherenmitte setzt er den Krebs außer Gefecht. Angeblich tut es dem Krebs nicht weh, aber ich kann nur Mitleid für den kleinen Kerl empfinden, der nun mit offenen Scheren dasitzt, die ihm nun nicht mehr gehorchen wollen.

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Rund zehn bis 15 Euro bekommt Tangi für einen der Hummer. Zwei von ihnen haben bereits eine Schere im Kampf verloren – dafür gibt es natürlich Abzüge. Insgesamt kommt Tangi an diesem Tag also auf rund 100 Euro. Ein guter Tag für ihn. Ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, wenn ich mit dem Fischen mein Geld verdienen würde. Würde es irgendwann zur Routine werden oder hätte ich immer noch mit jedem kleinen Kerl mitleid, der mir ins Netz geht? Auf der anderen Seite ist diese Art der Fischerei für die Umwelt von einer ganz anderen Bedeutung wie die gigantischen Schleppnetze die andernorts zum Einsatz kommen. Mit diesem Gedanken besänftige ich mein Gewissen, als ich aus dem Boot steige und meine durchgefrorenen Knochen in der Sonne wärme, die sich an der Küste inzwischen durchgesetzt hat. Hummer habe ich seitdem aber nicht mehr angerührt.

Vielen Dank an Tourisme Bretagne für die Einladung auf diese Reise und Tangi für den interessanten Einblick in seinen Alltag.

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8 Comments

  1. says: maria

    Liebe Jana
    Die Bretagne ist gar nicht so rau……
    Schliesslich fliesst dort der Golf Strom vorbei und bei naeherer Betrachtung
    findet man mitunter Palmen die dort tatsächlich ueberleben,
    Mimosen die herrlich bluehen , kokosnussartig duftender Ginster und eine Pflanzenvielfalt von der wir nur traeumen koennen.
    Ich finde das Klima dort eigentlich eher mild….eher britisch jedoch im Sommer wenig Niederschläge. Den meisten Regen habe ich im November erlebt.Jede Jahreszeit hat ihren Reiz.Die Feinschmecker kommen Anfang Januar ( sagt mein Mann)- hat auch was.
    Mich fasziniert dort jede Jahreszeit sogar der November
    mit dem unruhigen Meer und dem Wetterspektakel.
    Der einizige Monat in dem ich Frankreich nicht betrete
    ist August….das hat keinen Sinn egal wohin Du kommst da geht gar nichts mehr da ganz Frankreich Urlaub macht und die machen halt immer noch vorzugsweise im eigenen Land Urlaub.
    Maria

    1. says: Jana

      Hallo Maria, danke für deine Meinung. Du hast natürlich recht – es kommt aber ganz auf die Perspektive an: Im Vergleich zur Mittelmeerküste geht es in der Bretagne schon rauer zu – aber genau das liebe ich ja so <3

      Und ja, im November würde ich auch gerne mal dort sein. Das stelle ich mir toll vor!

      Liebe Grüße, Jana

    2. says: Thomas

      Hallo Maria,

      das milde Klima hat mich auch überrascht, besonders im Golfe du Morbihan ist es fast mediterran und es hat mich auch an Jersey erinnert. Und dazu die trutzigen Häuser, die Leckereien, z.B. Quiche mit Jacobsmuscheln, die echt netten Leute und die Gezeiten, die die Häfen immer anders aussehen lassen…
      Aber in einem muss ich widersprechen: Wir waren immer im August da und teilweise im September. Aber die Bretange haben wir immer als entspannt und weit genug empfunden. Klar, an einem August-Tag in Concarneau oder St. Malo ist ein bisschen was los, aber ich fands angenehm belebt. OK, auf der einzigen Straße zur Presqu’ile de Quiberon im Stau zu stehen, ist nicht ganz so toll, aber irgendwas ist ja immer. Und als Stau-Weltmeister sind wir Deutschen ja einiges gewohnt.
      lg Thomas

      1. says: maria

        Hallo Thomas,
        Du hast recht im Vergleich zu unserem voellig ueberbevoelkertem
        Land ist es in Frankreich sogar im August entspannt.
        Ich war früher nur so oft im Juli und August in der Bretagne und bin ueberhaupt
        kein ,,Strandlieger,, sondern suche la Solitude und da habe ich die Nebensaison
        fuer mich entdeckt die auf mich einen viel groesseren Reiz ausuebt
        ich bin froh wenn ich mal wirklich keinem begegne ausser ,,Chateaubriand,,
        ( witz ) dem Wind und den Wellen.Ich weiss dass diese Stimmungen im Winter und
        Herbst nicht jedermann s Ding ist fuer mich schon,ich kann mich da voellig versenken und ,,eintauchen,,.
        Viele Gruesse von Marie

  2. says: Thomas

    Hallo Jana,

    habe Deinen Blog über Fans der Bretagne auf FB gefunden und finde ihn toll. Ich finde es immer so erfreulich, wenn die schönen Erfahrungen, die so viele Leute machen, nicht nur auf der Festplatte verharren (im Kopf und auf dem Rechner, mich eingeschlossen), sondern geteilt werden und wie in diesem Fall mit der richtigen Menge gut geschriebenem Text serviert werden. Drei Daumen hoch, oder so.

    1. says: Jana

      Hallo Thomas, vielen Dank für dein liebes Kompliment – so etwas ist immer wieder ein Ansporn weiterzumachen :-) Ich hoffe du schaust bald mal wieder vorbei! Liebe Grüße, Jana

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