„Haben Sie auch an die Kotbeutel gedacht?“ fragt mich die nette Kassiererin an der Kasse vom Fressnapf. Ich bin ihr dankbar für diesen Hinweis, genauso wie den zahlreichen Tipps zuvor, die man mir während meines Einkaufes gegeben hat. Es war mein erster Besuch dort, zwei Tage nachdem wir uns entschieden haben, die kleine Hündin namens Meliza bei uns aufzunehmen. Noch ist die Vorkontrolle, die bei der Adoption eines Tieres aus dem Tierschutz Voraussetzung ist, nicht gelaufen. Aber es ist inzwischen Samstag und am nächsten Tag bereits soll ich Meliza aus ihrer Gastfamilie abholen und mit nach Hause nehmen können.
Dezente Überforderung: Der Kauf der Erstausstattung
Die letzten Tage waren eine Achterbahnfahrt der Gefühle und die danach werden noch turbulenter werden. Das war mir schon jetzt bewusst. Trotzdem strahle ich über beide Backen, als mir der freundliche Verkäufer mich mit den Worten „Herzlichen Glückwunsch der frisch-gebackenen Hundemama“ zum Thema Transportboxen berät. Überhaupt war ich mit dem Kauf der „Erstausstattung“ dezent überfordert. Welches Futter? Welches Hundebett? Welche Leckerlis? Brauche ich Welpenpads? Und in welcher Größe soll ich Leine und Halsband kaufen, wenn ich es nicht direkt anprobieren kann. Am Ende landeten so einige Dinge im Einkaufswagen, aber so richtig vorbereitet fühlte ich mich nicht.
Vom Schicksal oder auch: Wie ich auf den Hund gekommen bin
„Ich weiß nicht was ich hier soll, schließlich sehe ich Ihnen ja nicht an, ob Sie Ihren Hund vergewaltigen“, war einer der ersten Sätze der Mitarbeiterin vom örtlichen Tierheim, welche die Vorkontrolle übernommen hat. Sie erzählt etwas von Hundepuffs während wir ihr unsere Wohnung zeigen und ein bisschen von Meliza erzählen.
Meliza wurde über den Verein Tierhilfe ohne Grenzen e.V. aus Weinheim vermittelt. Die gesamte Kommunikation lief super und sehr kompetent. Erst nach einem positiven Vorgespräch durfte ich Meliza mit meinem Freund besuchen und es wurde mir versichert, dass solange niemand sonst den Hund sehen wird. Man erzählte mir, dass bis dato größtenteils Rentner auf die Anzeige reagiert hätten, die einem jungen Hund mit Power und Spaß am Laufen einfach nicht hätten gerecht werden können. Für mich klang es einfach perfekt!
Das Gespräch war am Mittwoch und der Besuchstermin bereits am Donnerstag. Wir fuhren dazu nach Gießen – was für ein Zufall, schließlich haben mein Freund und ich beide dort studiert und uns auch so kennengelernt. Angekommen erwartete uns ein kleines schwarzes Fellknäul, was sich ängstlich hinter der Pflegemama und ihrer anderen Hündin versteckte. Aber nach nur wenigen Minuten taute die kleine Portugiesin (die übrigens aus einem ungewollten Wurf stammt, der im Tierheim in Loulé abgegeben wurde) auf und wir gingen gemeinsam spazieren. Schon nach den ersten paar Minuten mit ihr war klar: wir hatten uns in die schüchterne Hundedame verliebt und würden ihr, wenn wir dürften, gerne ein neues Zuhause geben.
Aber zurück zur Vorkontrolle: Da die Geschäftsstelle des Vereins ziemlich weit von unserem Wohnort entfernt ist, wurde sie durch das örtliche Tierheim vorgenommen. Zuvor hatte ich gelesen, dass man die Vorkontrolle auch gerne nutzen sollte um alle offenen Fragen zu klären, aber diese kommentierte die Dame nur mit „Hoffentlich reden Sie mit dem Hund nicht so viel wie mit mir“. Am Ende verunsicherte mich das Gespräch mehr, als es mir half. Einzige wichtige Erkenntnis, die ich aus dem Gespräch zog war, dass ich direkt noch einmal losfuhr und ein zusätzliches Geschirr besorgte, weil man besonders ängstliche Hunde aus dem Tierschutz immer doppelt mit zwei Leinen an Halsband und Geschirr sichern sollte.
Zwischen Vorfreude & Aufregung: Der Tag des Einzugs
In der Nacht vor Melis Einzug schlief ich nur schlecht. Zum größten Teil aus Freude, aber trotzdem klangen da ein paar Stimmen in mein Ohr, die mich vor der Anschaffung eines Hundes – besonders aus dem Tierschutz – gewarnt haben. So nervös war ich nicht einmal als ich beschlossen hatte mich selbstständig zu machen. Aber dann war es schließlich soweit und ich konnte mich mit samt der Transportbox erneut auf den Weg nach Gießen machen.
Leider konnte mich mein Freund an diesem Tag nicht begleiten, da er 24-Stunden Dienst im Krankenhaus hatte. Mit der Zuversicht das Ganze auch alleine hinzubekommen fuhr ich los. Angekommen erwartete mich ein kleines, zitterndes Fellknäul, das noch mehr Angst zu haben schien, als am Besuchstag. Vielleicht auch, weil sie ahnte, dass ihr eine große Veränderung bevorstehen würde. Vielleicht auch wegen der anderen unbekannten Menschen. Auf meinem Schoss wurde sie allerdings schnell ruhig, wir konnten die Formalien ausfüllen und schon saß ich mit MEINEM Hund in der Transportbox auf dem Heimweg. Ein ganz verrücktes Gefühl.
Die Rückfahrt kam mir noch länger vor als die Hinfahrt, aber schließlich kam ich mit samt Hund zu Hause an, der wegen der ganzen Aufregung in die Transportbox erbrochen hatte. Irgendwie schaffte ich es alleine den Hund aus der Box zu heben, und ihn neben der vollgekotzten Box ins Haus zu bringen. Das Schlimmste wäre schon einmal geschafft!
Die nächsten 24 Stunden verbrachten der Hund und ich damit uns gegenseitig hinterherzulaufen. Sie, weil sie Angst hatte allein zu sein, ich weil ich Angst hatte, der Hund könnte in die Wohnung machen oder anderen Unsinn anstellen. Die Pflegemama hatte mir erzählt, das Meli eigentlich recht zuverlässig ankündigt, wenn sie mal muss, aber darauf kann man sich ja in solch einer Situation nicht so wirklich verlassen.
Am ersten Tag kamen Julia und ihr Freund zu Besuch um Meli kennenzulernen und mir ein wenig Beistand zu leisten, wir meisterten die ersten Gassirunden auf denen die Kleine mehr und mehr aufblühte und ich war froh, dass sie das Futter mochte, was ich ihr ausgesucht hatte. Nur eins machte sie den ganzen ersten Tag nicht: Pipi.
So sehr ich mich auch bemühte, immer wieder mir ihr raus ging – sie machte einfach nicht, bis ich nachts um halb 1 aufgab und ins Bett ging. Meli hatte ich in ihrer Transportbox ein gemütliches Bettchen gemacht. Der Vorteil: ich konnte die Box vorne zumachen und oben auflassen, so dass ich hoffentlich mitbekommen würde, wenn der Hund versuchen würde aus der Box zu klettern. Das tat sie nicht. Morgens um 5:30 wachte ich von alleine auf, schnappte die Kleine und ging erneut mit ihr raus. Und dann endlich, nach 17 Stunden Pinkelpause machte sie endlich eine Pfütze. Ich war erleichtert und schlief noch ein paar Stunden. Später las ich, dass ängstliche Hunde oft so lange wie möglich einhalten und dass sich das nach ein paar Tagen geben würde.
Die ersten Tage oder auch: Angst vor allem
Das tat es auch. Dafür hatten wir jetzt andere Probleme. Meli hatte nämlich einfach vor allem Angst. Vor Menschen während der Gassirunde, Gebäude zu betreten, anderen Hunden, sämtlichen Geräuschen, Autos auf der Straße. Immer zog sie den Schwanz ein, machte sich klein und versuchte ruckartig sich irgendwo hin zu flüchten. An Weitergehen war nicht zu denken. Nur wenn wir ganz alleine über das Feld liefen, war Meli in ihrem Element, schnupperte an Mäuselöchern, hielt ihre Nase in den Wind und genoss die Bewegung. Zu Hause dagegen fühlte sie sich zunehmend wohl und so sicher, dass sie begann bei dem kleinsten Geräusch zu knurren. Und dabei machte sie auch vor meinem Freund nicht halt. Weil der in ihrer ersten Woche viel im Krankenhaus war, hatte sie ihn nicht als Teil des Rudels akzeptiert und knurrte ihn bei jeder falschen Bewegung an.
Ich fühlte mich mit der Situation total überfordert und die Zweifel wurden immer lauter, ob ich mich nicht falsch entschieden hatte. Ob Meli wirklich der richtige Hund für uns war. Schließlich stand bereits in einer Woche die erste Reise mit ihr an, die uns auf die Ostseeinsel Usedom führen würde. Und ich fühlte mich alleine, denn die einzige Person, der Meli vertraute, war ich.
Wie sollte ich das Knurren in Griff bekommen? Wie sollte ich es schaffen, dass der Hund mit mir in sieben Tagen einmal quer durch Deutschland mit der Bahn fährt? Sollte ich die Reise absagen? Sollten wir besser mit dem Auto fahren? Und was, wenn sich Meli plötzlich als beißender Angsthund entpuppte? Die Horrorstorys, die ich im Internet las, machten die Situation nicht besser. Am Ende bekam ich im Zoofachgeschäft auf der Suche nach einer kleineren Transportbox für die Zugfahrt sogar eine regelrechte Panikattake, so dass ich mich erst einmal ins Auto flüchten musste um zu atmen und mich zu beruhigen.
Und nun?
Ich tat das einzig richtige, was ich in der Situation hätte tun können: ich fragte um Hilfe. Ich verabredete mich für ein Telefonat mit dem Vereinsvorstand, die mir viele Tipps gab, wie wir die Beziehung zwischen Meli und meinem Freund verbessern können. Vieles war so einfach, dass ich mich fragte, warum ich nicht selbst darauf gekommen war. Zum Beispiel sollte er ihr „verbotene Leckerlis“ wie Leberwurst oder Schinken geben um ihr Vertrauen zu gewinnen. „Gesund ernähren könnt ihr sie immer noch, wenn die Probleme behoben sind.“ Er sollte auch alleine mal mit ihr Spazieren gehen, egal wie sehr sie sich am Anfang dagegen sträubte.
Vor allem aber bekam ich das Gefühl mit der Situation nicht alleine zu sein und das war genau das, was ich brauchte. Ich glaube mittlerweile, dass es der Kontrollverlust war, der mir solche Angst eingejagt hat. Ich konnte nicht steuern, wie sich Meli entwickelte und ob sie wirklich so schnell bereit für ihre erste Reise sein würde. Fakt ist aber: meine Angst hatte die Unsicherheit des Hundes nur noch mehr verstärkt. Auch das wusste ich natürlich, was mich phasenweise noch mehr Angst gemacht hat.
Was mir am Ende geholfen hat: die Akzeptanz, dass ich Melis Entwicklung nicht steuern konnte, die Zuversicht, dass wir das alles schon hinbekommen würde, die Unterstützung durch den Verein und das selbst auferlegte Gebot, keine Probleme in der Hundeerziehung mehr zu googeln. Und die Konzentration auf alles, was wir gemeinsam schon erreicht hatten: Meli hat in ihrer ersten Woche kein einziges Mal in die Wohnung gemacht, hat nichts kaputt gemacht, konnte schon für kurze Zeit alleine bleiben, konnte mittlerweile ohne Angst durch den Ort laufen, fuhr problemlos Auto, hatte sogar schon erste positive Kontakte mit anderen Hunden erlebt und lebte sich von Tag zu Tag mehr ein. Sogar ihre ersten zwei Restaurant-Besuche hatte sie mit Bravur gemeistert und sich einfach brav unter den Tisch gelegt.
Wenn man mal ehrlich ist, ist das alles deutlich mehr als man in einer Woche hätte erwarten können. Und ehrlich gesagt kommt mir meine Reaktion in den ersten Tagen heute auch ziemlich lächerlich vor. Trotzdem wollte ich meine Gefühle und die Erfahrungen in den ersten Tagen in dieser Kolumne festhalten. Zum größten Teil für mich selbst, denn schließlich vergeht die Zeit so schnell und ich möchte auch die Herausforderungen der ersten Tage mit Hund nicht vergessen. Aber vielleicht ist ja auch jemand unter euch, der gerade einen Hund adoptiert hat und auch mit den anfänglichen Ängsten und Sorgen zu kämpfen hat. Mein Freund bezeichnete meine Gefühlslage in den ersten Tagen übrigens mit einem Augenzwinkern als kleine „Wochenbettdepressionen“ und vielleicht hat er ein bisschen Recht damit.
An Melis siebten Tag bei uns unternahmen mein Freund und ich einen kleinen ersten „Familienausflug“ an den Laacher See. Wir genossen die Sonne, plauschten mit anderen (teilweise ebenfalls frisch-gebackenen) Hundebesitzern und beendeten unsere Wanderung mit einem leckeren Essen im Restaurant Waldfrieden. Und während ich meinen Flammkuchen mit Spargel futterte und der Hund zu unseren Füßen schlief, fühlte ich mich plötzlich wieder wie ich selbst. Ich war zuversichtlich, dass wir die Reise am nächsten Tag hinbekommen würde und Meli auch bald aufhören würde unseren Besuch anzuknurren.
Wie die erste Reise mit Hund so war und wie sich Meli in der zweiten Woche entwickelt hat, das erzähle ich euch dann in der nächsten Hundekolumne…
Habt ihr einen Hund? Und wenn ja wie war eure erste Woche mit ihm? Und wollt ihr in Zukunft mehr Hundecontent auf dem Blog?