Dichte Wolken hängen über dem Mekong. „Die Sonne haben wir schon seit Wochen nicht gesehen“, erzählt uns der Guesthouse-Besitzer resignierend. Mit der Sonne bleiben auch die Touristen aus. Die kommen eigentlich nur aus einen Grund in den kleinen Ort Kratie im Osten Kambodschas, nämlich um die letzten frei lebenden Irrawaddy-Delfine zu sehen, die sich hier in den Stromschnellen tummeln. Doch die scheuen Tiere sollen sich nur während der Trockenzeit gut beobachten lassen – wir befinden uns dummerweise mitten in der Regenzeit.
Mekong (Alp)traum?
Die ganze Nacht regnet es ohne Unterlass. Als am nächsten Morgen noch kein fließend Wasser als der Leitung kommt und damit auch die Klospülung ausfällt, fange ich an zu bereuen, die 15 Stunden Busfahrt in den Osten Kambodschas auf mich genommen haben, nur um hierher zu kommen. Doch ich wollte ihn sehen, den Mekong, die Lebensader Indochinas. Einmal an seinem Ufer stehen und seinen Zauber spüren. Jetzt im ungeduschten Pessimistenmodus sehe ich nur noch eine braune Brühe die sich kaum von dem Grau der Wolken abhebt. Nennt mich pingelig, aber in Anbetracht der mangelnden Dusch- und Toilettenmöglichkeiten will ich hier nicht länger als nötig bleiben. Das konnte es doch nicht gewesen sein! Wo ist mein unvergessliches Mekong-Erlebnis? Wo bleibt das Krawum?
Schließlich geben wir dem Tag doch noch eine Chance und schnappen uns ein Tuktuk ins benachbarte Kampi. Von dort aus werden Bootstouren zur Delfinbeobachtung angeboten. Das wir die seltenen Irrawaddy-Delfine zu Gesicht bekommen, ist eher unwahrscheinlich, denn schließlich verspricht mein Reiseführer nur in der Trockenzeit zuverlässige Sichtungen. Doch alleine die Aussicht auf eine gemütliche Bootsfahrt klingt verlockend und dieser graue Tag kann eigentlich nur besser werden.
Auf nach Kampi
Es hat aufgehört zu regnen, als wir mit dem Tuktuk durch die grüne Landschaft rumpeln, doch die dunklen Wolken verheißen nichts gutes. Vielen Touristen begegnen wir auf der Fahrt nicht, statt dessen können wir die Menschen in den kleinen Dörfern bei ihrer täglichen Arbeit beobachten. Fast eine dreiviertel Stunde dauert die Fahrt von Kratie nach Kampi. Immer mal wieder sehen wir durch das Gebüsch die braunen Fluten des Mekong durchblitzen. Unser Tuktuk wartet auf einem Parkplatz und wir gehen zu Fuß weiter zum Anleger. Die Bootsfahrten auf dem Mekong sind Bestandteil eines Ökotourismus-Projektes. Der Ticketerlös wandert direkt in den Erhalt der seltenen Tiere. Seit August 2012 widmet die Regierung Kambodschas den Irrawaddy-Delfinen des Mekongs ein 180 km langes Schutzgebiet. Es erstreckt sich von der Provinz Kratie bis zur Grenze zu Laos. Zwar dürfen die Einheimischen in diesem Flussabschnitt weiterhin fischen, doch sind Floßhäuser, Netzkörbe und Fischernetze tabu. Bei so viel Engagement zahle ich die acht Dollar für das Bootsticket doch gerne.
Die Überraschung!!!
Da stehe ich so mir nichts dir nichts wartend am Ufer, als ich plötzlich am Horizont einen Delfinrücken erahnen kann. Ungläubig reibe ich mir die Augen. Ich bin zwar die einzige die das Schauspiel gesehen hat, aber ich bin mir sicher, dass muss einer der Irriwaddy-Delfine gewesen sein. Plötzlich bin ich ganz aufgeregt und kann es kaum erwarten in das kleine Boot einzusteigen.
Dann geht es raus aufs Meer äh den Fluss. Den riesigen orangen Bordmotor benutzt unser Bootsführer nur um in die Mitte des Mekongs zu steuern. Dorthin, wo bereits ein paar andere Boote in den Fluten treiben. Von da an geht es mit Manneskraft weiter. Und das ist auch gut so – denn von hunderten röhrenden Booten auf Delfinjagt habe ich seit Bali genug. Angestrengt suche ich den Horizont nach den Delfinen ab. Und siehe da, plötzlich tauchen ein paar graue Köpfe und Rücken am Horizont auf.
Doch wie ein Delfin sieht das, was ich da sehe nicht aus. Eher wie ein Weißwal. Der lateinischer Artname brevirostris für kurzschnäbelig verrät einiges über das Aussehen des Irawadi Delfins: denn charakteristisch für den Delfin sind seine wulstige Stirn und die auffallend kurze Schnauze. Ebenfalls typisch ist die sehr kleine Rückenflosse, die bei jedem Tier so individuell ist, dass sie seinen persönlichen Fingerabdruck darstellt. Seinen Namen Irawadi/Irrawaddy erhielt der Delfin nach einem Fluss in Myanmar, dem Ayeyarwady, der früher – wer hätte es gedacht – Irrawaddy hieß. Die bis zu 2,8 Meter langen und bis zu 150 Kilogramm schweren Säugetiere können sowohl in Flüssen, im Brackwasser an Flussmündungen als auch in flachen Küstengewässern vorkommen.
Und damit hätte ich dann auch bewiesen, dass man die scheuen Tiere tatsächlich doch ganz gut vor die Linse bekommt. Nach nur einer viertel Stunde Fahrt haben wir schon dutzende Tiere gesehen. Obwohl es wahrscheinlich immer die gleichen gewesen sind, denn im ganzen Mekong gibt es schätzungsweise nur noch etwa 80 Exemplare. Das bei den Delfinen sonst so typische Springen, kann man bei dieser Art übrigens kaum beobachten. Nach einer kurzen Auftauchphase – Irrawaddy Delfine haben nur sehr kurze Tauchzeiten – sind sie schnell wieder im braunen Wasser verschwunden. Nur um dann an einer ganz anderen Stelle wieder prustend an die Oberfläche zu gelangen.
Und da ist es, das Krawum, auf das ich so sehnsüchtig gewartet hab. Wie sich doch manchmal ein so verloren geglaubter Tag zum Guten wendet. Glücklich und geflasht genieße ich nur noch die Bootsfahrt und die Szenerie um mich rum: ich habe meine Mekong Idylle schließlich gefunden. Und da macht es mir auch nichts aus, das die ersten Regentropfen wieder auf uns herab fallen. Für mich scheinen sie in diesem Moment auf den Wellen zu tanzen.
Nach einer dreiviertelstündigen Fahrt fahrt bitten wir unseren Bootführer das Ufer anzusteuern. Denn bereits zur Mittagszeit geht es mit dem Minivan weiter nach Phnom Penh, daran hat auch der tolle Ausflug nach Kampi nichts geändert. Dusche und Zivilisation rufen. Wie wir zusammen mit 15 Kambodschanern und einem Moto die fünfstündige Fahrt verbracht haben, erzähle ich euch dann ein andern mal…
Habt ihr schon mal freilebende Irrawaddy-Delfine gesehen? Was war euer enttäuschenstes Reiseerlebnis?
Hi! In der Trockenzeit zu fahren ist ja nicht unbedingt ein Garant für gutes Wetter :) Ich war Dez11/Jan12 in Vietnam, eigentlich Trockenzeit. Am Mekong war es noch erträglich, aber My Son, Hue, Hanoi und leider auch Ha Long war nur Dauerregen angesagt und 15°C Maxium. Das war schon sehr enttäuschend. Vieles hat ja auch bei Regen seinen Reiz, man muss nur aufpassen seine gute Laune nicht zu verlieren. Es war auch lustig zu sehen, wie die Vietnamesen ihren Kindern bei 15°C gleich die Pudelmützen aufsetzten und sie einmummeln :)
Die Delphine wären nochmal ein Grund den Mekong weiter flussaufwärts zu besuchen. Danke für den Tipp.
Mit der Laune hast du Recht! Das ist sowieso das wichtigste auf Reisen und bei schlechtem Wetter erstrecht! Liebe Grüße, Jana