Islands Osten – Wenn die Straße plötzlich aufhört

Wenn plötzlich die Ringstraße in eine holperige Schotterpiste mündet, dann weißt du, dass du in Islands Osten angekommen bist. Dieser Teil des Landes ist noch dünner besiedelt als der Rest des Landes und es kann gut vorkommen, dass man stundenlang auf kein anderes Auto trifft. Da stehen die Chancen fast noch besser auf eine Rentierhorde zu treffen, die im Hochland in der Einöde grast. Doch der Osten ist nicht nur karg und lebensfeindlich – es gibt am Ufer des Lagarfljót nämlich auch das größte zusammenhängende Waldgebiet des Landes.

„Stop, ein Rentier!“ rufe ich aufgeregt. „Nein, doch wieder nur ein Schaf“, stelle ich resigniert fest. Ein dreieckiges Warnschild hatte uns vor einigen Kilometern auf mögliche Rentiere hingewiesen. Seit dem Schild traue ich mich kaum die Augen zu schließen, aus Angst, dass vielleicht genau in dem Augenblick eine Herde am Horizont auftaucht. So sehr ich mir aber die Augen reibe und angestrengt den Horizont absuche – die 25 Kilometer verstreichen und kein Rentier ist weit und breit in Sicht. 

Einöde von Mödrudalur

Wir sind schon einige Kilometer auf der Ringstraße Richtung Osten unterwegs. Sie führt uns durch die kargen Gebirge Dimmifjallgardur und Smjörfjoll, in die sich im Sommer die Rentierhorden zurückziehen. Aber anscheinend halten sie sich an diesem Tag von der Ringstraße fern. Die Wolken ziehen bedrohlich tief über die Bergspitzen hinweg. Eigentlich der perfekte Tag für die lange Autofahrt, die hinter und noch vor uns liegt.

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Egilsstaðir am Lagarfljót

Je mehr wir uns dem Lagarfljót nähern desto grüner und lebendiger wird auch die Landschaft um uns herum. Der 53 Quadratkilometer große See gilt auch als das isländische Pondant zum Loch Ness. Ein fieses Seeungeheuer, der Lagarfljótwurm, soll in seinen Tiefen hausen. Die Wassersportler, die sich bei gutem Wetter so zahlreich dort tummeln, hält die Legende auf jeden Fall nicht ab.

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Rund 180 Kilometer haben wir bereits zurückgelegt und es wird langsam Zeit für eine Pause. Da kommt uns die Stadt Egilsstaðir gerade recht. Sie liegt mit ihren 2.300 Einwohnern direkt am See un gilt als das Zentrum des Ostens. Es gibt einen kleinen Flughafen sowie ein paar Geschäfte. Ich bin ja normaler Weise kein Freund von Fast Food-Ketten, aber bei den Preisen in Island habe ich die Dinger zu schätzen gelernt. In Egilsstaðir hat uns eine Subwayfiliale unser bezahlbares Mittagessen gerettet. Ansonsten hätten wir wohl wieder mit den Kräckern aus dem Kofferraum vorlieb nehmen müssen.

Henningfoss

Nach dem Essen nehmen wir uns noch ein wenig Zeit zur Erkundung der Umgebung. Besonders der Henningfoss am Westufer des Sees hat uns neugierig gemacht. Er ist immerhin der dritthöchste Wasserfall der Insel und nur zu Fuß im Rahmen einer kleinen Wanderung zu erreichen – eine willkommene Abwechslung zum langen Sitzen im Auto.

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Hallormsstaðaskógur

Über Islands größtes zusammenhängendes Waldgebiet, Hallormsstaðaskógur an der Ostseite des Sees geht es nun zurück zur RIngstraße. Es ist schon seltsam nach einer so langen Zeit in Island wieder so viele Bäume auf einem Fleck zu sehen. Man bekommt fast den Eindruck plötzlich im Harz oder gar in Kanada gelandet zu sein.

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Hochlandfeeling auf der 939

Und dann ist die Straße plötzlich zu Ende und vor uns liegt eine endlose rotbraune Schotterpiste. Es ist schon seltsam, dass selbst die Ringstraße nicht komplett asphaltiert ist. Dabei ist sie für Isländische Verhältnisse so etwas wie die Autobahn.

Wenig später stehen an einer Weggabelung. Beide Wege zeigen unser Ziel Höfn an, wobei sich die Kilometerzahl unterscheidet. Wir entscheiden uns für die kürzere und stellen im Nachhinein fest, das wir damit die Ringstraße verlassen und die Abkürzung über de 939 genommen haben. Auch wenn die Straße für PKW freigegeben ist, kommt hier schon richtiges Hochlandfeeling auf. Über schmale Schotterwege geht es in engen Serpentinen hinab an die Küste – vielleicht nicht jedermanns Sache, aber für uns ein riesen Spaß. Man darf eben nur nicht darüber nachdenken was passiert, wenn man tatsächlich mal einem anderen Auto begegnet.

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Ostfjorde

Als wir schließlich die Küste erreichen treffen wir auch wieder auf die Ringstraße. Die letzten 120 Kilometer bis zu unserem Tagesziel in der Nähe von Höfn legen wir entlang der Ostfjorde zurück. Man sagt sie sollen ein bisschen den Westfjorden ähneln, die wir auf unserer Reise aus Zeitgründen leider auslassen mussten. Auf jeden Fall sind sie ebenso einsam und verlassen.

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Angekommen in Höfn

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir spät am Abend unser Quartier. Der Stadt Höfn statten wir erst am nächsten Tag einen Besuch ab. Sie liegt auf einer Landzunge zwischen dem Hornafjörður und dem Skarðsfjörður. Die Einwohner der Kleinstadt leben vor allem von Fischfang und -verarbeitung sowie der Landwirtschaft. Aber auch der Tourismus wird immer wichtiger – schließlich möchte man das Image als „Hummer-Hauptstadt“ Islands weiter ausbauen.

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Im Zentrum rund um den Hafen haben sich bereits einige Hummerrestaurants angesiedelt. Die Preise sind hoch – rund 7.000 Kronen (45 Euro) muss man für ein Gericht hinlegen. Es gibt aber auch günstige Alternativen: direkt am Hafen liegt ein kleiner Diner, der unheimlich gute Burger anbietet – die besten, die wir auf unserer Reise gegessen haben. Und weil wir so lange warten mussten, gab es gleich noch ein Eis on top.

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Mein Island Guide: Islands Osten

Länge der Etappe: Will man von Islands Norden in den Süden kommen, braucht man ziemlich viel Geduld. Die rund 420 Kilometer vom Myvatn nach Höfn auf der Ringstraße ziehen sich wie Kaugummi in die Länge – auch wenn Island einen immer wieder mit atemberaubender Landschaft entlang des Weges bei Laune hält. Größere Orte gibt es auf der Route keine, nur in dem kleinen Ort Egilsstaðir am Lagarfljót See gibt es ein wenig Infrastruktur.

Dauer: 6-7 Stunden reine Fahrzeit, mit Stopps mindestens 10 Stunden

Start/Ziel: Vom Mývatn nach Höfn

Meine Highlights: Die Einöde, der Lagarfljót, die Ostfjorde und der Burger in Höfn

Weitere Tipps:

  • Je weiter man nach Osten kommt, desto seltener werden Tankstellen und Supermärkte beziehungsweise alles was zum Thema Infrastruktur gehört. Daher mein Tipp: In Egilsstaðir einen Zwischenstopp einlegen und Tank sowie Magen auffüllen
  • Wem die Strecke an einem Tag zu lang ist, der kann hier einen Übernachtungsstopp einplanen

-> Die Route auf der Karte

Wie gefällt dir der Osten Islands? Woran erinnert dich die Landschaft? Warst du schon da und hast noch weitere Tipps? Immer her damit!

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11 Comments

  1. says: Flo

    Bis in den Osten der Insel haben wir es bei unserer Islandreise im Juli leider nicht geschafft, aber es scheint so, als hätten wir es uns damit entgehen lassen, ein Fleckchen Island mal nur für uns zu haben. Bis zur Gletscherlagune Jökulsarlon wimmelt es ja fast nur vor (andren) Touristen. Auf deinen Roadtrip-Fotos wirkt das alles ganz schön einsam ;-)

    Ich glaub, ich muss da nochmal hin. Bald. :)

    Liebe Grüße aus Lima,
    Flo

    1. says: Jana

      Der Osten und vor allem auch der Norden lohnen sich auf jeden Fall. Wir hatten dort leider auch nicht genug Zeit um die Landschaft richtig zu genießen. Da hilft nur wiederkommen!
      Liebe Grüße, Jana

  2. says: Nadine

    Der Osten Islands hat uns ebenfalls sehr gut gefallen, vor allem sobald man vom Süden kommend ab Jökulsarlon die meisten Touristen zurückgelassen hat und voll und ganz in die wilde Landschaft Islands eintauchen kann. Uns hat im Osten Seyðisfjörður (Hafen für die Fähre von /nach Faröer Inseln und Dänemark) und die Fahrt dorthin über den Pass sehr gut gefallen. Wenn man Glück hat kann man dort im Fjord auch Wale und Delfine beobachten.
    Liebe Grüsse aus Istanbul
    Nadine

  3. says: Travelstoryteller via Facebook

    dieses Land ist so überwältigend… ich kann jetzt noch besser verstehen, warum es mir damals so schwer fiel nach Island in Toronto anzukommen.

  4. says: Oli

    Toller Artikel und wunderschöne Fotos – genau so hab ich mir Island immer vorgestellt. Jetzt muss ich auch schnell dorthin!!
    Ich drück dir die Daumen für eine Rentiersichtung, vielleicht klappt’s in Skandinavien?

    Beste Grüße,
    Oli

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