Antwerpen – das nette Mädchen von Nebenan

Einfach mal keinen Plan haben ist manchmal der beste Plan. Und der beste Ort dafür ist Antwerpen. Ich nenne sie liebevoll die Stadt der fünf Gesichter. Mal zeigt sie sich modisch, mal maritim, mal  historisch oder von ihrer kulinarischen Schokoladenseite. Aber eins ist sie dabei immer: authentisch. Antwerpen ist ein bisschen wie „das Mädchen von Nebenan“. Keine Coco Chanel, keine Laura Dekker, keine Lea Linster, keine Sissi – und genau das macht sie so sympathisch. Man kann herrlich mit ihr ein Wochenende verbringen und immer wieder neue Seiten entdecken.

Historisch

Ich muss zugeben Antwerpen beziehungsweise die ganze Region Flandern, rückte erst vor zwei Jahren auf meinen Reiseradar, als ich zufällig bei der Suche nach einem Ausflugsziel auf die Stadt Leuven stolperte. Vom ersten Moment an war ich verliebt in die flämische Architektur und der Liebe zum Detail, mit der jeder Fassade und jeder Giebel individuell gestaltet ist. Auch in Antwerpen sollte ich hier nicht enttäuscht werden. Denn Antwerpen gehört zu den wenigen europäischen Großstädten deren Stadtkern auch heute noch fast vollständig erhalten ist. Und so findet man sich rund um den Grote Markt ein bisschen wie zurückversetzt ins 16. Jahrhundert.

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Während ich also den Blick nach oben gerichtet meinen Weg durch die Altstadt bahne (und dabei froh sein kann, dass ich nicht ständig Passanten anrempele) offenbart mir Antwerpen sein erstes Gesicht: das historische. Wusstet ihr, dass Antwerpen im 15./16. Jahrhundert eine der größten Städte der Welt und die wichtigste Handelsmetropole war? Ich auch nicht – aber das erklärt, warum die Stadt auch heute noch so wirkt als sei sie einem Historienfilm entsprungen.

Auch wundert es kaum, dass sich Künstler wie Rubens sowie kluge Köpfe wie Christoph Platin hier niederließen. Beiden Antwerpener Berühmtheiten ist jeweils ein Museum gewidmet, die in ihren Wohnhäusern untergebracht sind. Das Plantin-Moretus-Museum hat es sogar als erstes Museum überhaupt auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbe geschafft. Vielleicht bin ich banausig, aber auch wenn die Geschichte des Buchdrucks durchaus interessant sein kann, fand ich doch den lauschigen, mit Rosen bewachsenen Innenhof sowie die historische Architektur des Gebäudes am eindrucksvollsten. Ähnlich erging es mir im Rubenshuis, in das wir spontan vor einem sinnflutartigen Regenguss flohen. Ja, vielleicht bin ich wirklich ein Banause.

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Modisch

Ein Museum, dass mich viel mehr packen konnte bringt uns eine andere Seite von Antwerpen näher: die modische. Denn durch die ansässige Modeabteilung der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten hat sich die Stadt fernab von Paris und Mailand zu einer kleinen Modemetropole gemausert. Das ModeMuseum ist mit 25.000 Ausstellungsstücken einer der größten „Kleiderschränke“ der Welt. Eine Daueraustellung bringt uns den Stellenwert von Federn in der Mode näher.

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Danach muss natürlich auch der eigene Kleiderschrank bestückt werden. Das Modeherz der Stadt schlägt in und um der Nationalestraat. Hier findet haben sich zahlreiche kleine Boutiquen und lokale Designer niedergelassen, die nicht selten an der Academie voor Schone Kunsten ihre Ausbildung genossen haben. Dazwischen findet man immer wieder kleine Cafés und Bistros.

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Vier Parallelstraßen weiter läd die Klosterstraat zum Antiquitätenbummel ein. Die dort ansässigen Läden bieten aber nicht nur verstaubten Plunder (Herrlich!), sondern verkaufen von historische Fahrrädern, antiken Möbel bis zu Schallplatten so ziemlich alles, was das Schatzsucherherz begehrt.

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Maritim

Am Hafen offenbart Antwerpen seine maritime Seite. Denn auch wenn die Stadt selbst 80 Kilometer vom Meer entfernt liegt, besitzt sie dennoch einen der größten Häfen Europas. Einen kleinen Eindruck vom maritimen Flair der Stadt bekommt man bei einem Spaziergang entlang der Schelde, an deren Ufer große Kreuzfahrtschiffe vor Anker liegen.

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Nähert man sich dem Hafen, fällt ein Bauwerk besonders ins Auge, das MAS. Der riesige Bau aus Glas und Backstein beherbergt seit 2011 das Museum aan de Stroom, ein riesiges Volkskundemuseum auf insgesamt neun Etagen. Das Highlight ist aber der atemberaubende Blick, den man von der Dachterrasse des Gebäudes völlig kostenlos bewundern kann.

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Kulinarisch

Mit dem Hafen kommt die Multikulturalität und mit der Multikulturalität die Multikulinarik. Neben den obligatorischen Belgischen Pommes (die besten gibts am Goenplaats bei Max) und den deftigen belgischen Spezialitäten (mein Tipp: De 7 Schaken in der Nähe des Grote Markt) gibt es auch zahlreiche internationale Restaurants. Ein weiterer Vorteil des Hafens ist der gute frische Fisch, den es in Antwerpen gibt. Und so kann ich ohne Zweifel sagen im Zaowang auf dem Oude Koornmarkt das beste Sushi meines Lebens gegessen zu haben. Dafür hat es sich sogar gelohnt bei Kälte und Regen draußen auf der Straße zu sitzen. Denn alle Tische im warmen Inneren waren natürlich an diesem Samstag Abend schon lange im Voraus reserviert.

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Zum Nachtisch kommt man um zwei Spezialitäten nicht herum: die obligatorischen belgischen Waffeln und die Antwerpse Handjes. Die kleinen Schokohände erinnern an die Namensgeschichte der Stadt. Denn Antwerpen bedeutet so viel wie „Hand werfen“. Die Geschichte besagt, dass der Riese Druon Antigon Riese am Ufer der Schelde von den vorbeifahrenden Schiffern Wegzoll verlangt. Konnten sie den Zoll nicht bezahlen, hackte er ihnen die rechte Hand ab. Der junge Held Brabo konnte den Riesen im Kampf besiegen und  wirft die abgehackte Hand des Riesen in die Schelde.

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Am Abend sorgen zahlreiche Bars und Kneipen für flüssige kulinarische Horizonterweiterung. Denn einige von ihnen bieten eine Auswahl von hunderten belgischen Biersorten, bei denen man die Qual der Wahl hat. Zeitgleich mit unserem Aufenthalt fand auch das Bierpassie Weekend statt, ein jährliches Bierfest, das auch schon tagsüber den Alkoholkonsum legitimiert. Anders als beim hiesigen Oktoberfest, stehen beim Bierpassie-Festival 200 Biersorten von 32 Brauereien zur Auswahl. Mit einem Glas ausgestattet, das einen als „Beer Sommelier“ ausweist, kann man sich dann einmal durch die belgische Bierwelt probieren. Leider fällt es nach ein paar Gläsern des teilweise bis zu 12 Volumenprozent schweren Gesöffs nicht leicht, sich noch an seinen Favoriten zu erinnern.

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Authentisch

Bei allem Glanz, bei aller touristischer Aufmerksamkeit und allem modischen Glamour bleibt Antwerpen dabei erstaunlich authentisch. Verlässt man mal die herausgeputzten Gässchen und Plätze zeigt sich die Stadt von ihrer fast schäbigen Seite. Und genau diese Seite ist schließlich ausschlaggebend, dass mir Antwerpen ans Herz gewachsen ist. Denn genau wie das „nette Mädchen von Nebenan“ braucht auch jede Stadt doch irgendwie ihre Ecken und Kanten. Erst wenn man die ergründet hat, legt man Stück für Stück die wahre Persönlichkeit frei.

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Natürlich kann man an so einem Wochenende nur ein bisschen an der Oberfläche kratzen. Aber das, was ich freigelegt habe, gefällt mir. Und so werde ich sicher noch das ein oder andere Mal wiederkommen. Denn: Sie wohnt ja gleich nebenan.

Vielen Dank an Tourismus Flandern und Visit Antwerpen für die Einladung auf diese Reise. Meine Meinung bleibt davon wie immer unberührt.

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17 Comments

  1. says: Jessi

    Ich liebe Flandern! :-)

    In Antwerpen war ich noch nicht. Wir haben uns da nur einmal tierisch verfahren, als wir von der Nordsee zurückkamen. Da sind wir im Jüdischen Viertel gelandet, das sicher auch interessant ist.

    Liebe Grüße
    Jessi

  2. says: Jasmin Nicoletta Goldmann via Facebook

    Hatte leider noch nicht die Gelegenheit die Flämische Region mit Brüssel, Brügge, Gent & Antwerpen zu besuchen, aber den traumhaften Waterpark Veerse Meer, vor Jahren.

  3. says: Henning

    Hallo,

    ein sehr gelungener, schöner Bericht.
    Sehr ausführlich. Macht richtig Lust auf Antwerpen.

    Die Ladezeit der Seite ist aufgrund der Bilder leider etwas lang. Vielleicht versuchst Du mal, mit dem verkleinerer.exe, die Dateigröße der Bilder zu verkleinern. Bringt was, Qualität bleibt. Will aber nicht klugscheißen. ;-)

    LG
    Henning

    1. says: Jana

      Dankeschön :-) Die Bilder sind selbstverständlich verkleinert auf rund 100 KB, wenn ich sie noch kleiner mache, leidet die Qualität. Das ist eben immer eine Abwägungssache! Liebe Grüße, Jana

      1. says: Henning

        Hallo,

        ja, O.K., ich weiß was Du meinst.
        Mit dem o.a. tool kannst Du die Dateigröße verkleinern, ohne dass die Qualität leidet.
        LG
        Henning

        1. says: Jana

          Danke dir für den Tipp. Das kann mein Grafik-Programm auch, aber mir ist es lieber, die Qualität ist besser, als dass es etwas länger läd. Und wenn ich mir meinen Blog auf einem großen Monitor ansehe macht es einen Unterschied, ob ein Bild 50 oder 100 KB groß ist – egal welches Tool man zum verkleinern nimmt, einen Qualitätsverlust gibt es immer. Aber sind meine 2cents ;-) Liebe Grüße, Jana

  4. says: tanjajasmin

    Waaah! Will da jetzt sofort hin! Toller Artikel und super Fotos dazu.
    Aber wäre ja nicht das erste Mal, dass du mich zu einem Trip inspirierst ;)

    Dein Blog macht einfach Spaß! :)

    Bei diesem Artikel MUSSTE ich natürlich für dich voten ;)

  5. says: Steffi

    Liebe Jana, was ein toller Bericht!

    Ich war letzten Sommer in Antwerpen und habe auf meinem kleinen Roadtrip durch Belgien auch Gent und Brügge unsicher gemacht und kann nur sagen: Alle 3 Städte lohnen sich! Sie sind auch total unterschiedlich und individuell. Vor allem eine Fietse-Tour entlang der Leie war der absolute Traum. Ich war mal wieder begeistert, welche tollen Landstriche so nah vor unserer deutschen Haustür liegen… :)

    Wenn du einen weiteren Trip in unser belgisches Nachbarland planst, schau doch mal auf Smile4Travel vorbei! :)
    Alle Reisebericht zu Belgien findest Du hier: http://smile4travel.de/gallerycat/belgien/

    Viele Grüße
    Steffi

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