Angkor Wat mit dem Fahrrad: von Mythen, Motos und Monsun

Als ich auf den Haufen Altmetall steige, den man hier in Kambodscha Fahrrad nennt, kommen mir die Worte unseres Taxifahrers wieder in den Sinn, als er versucht hat sich uns für den nächsten Tag als Taxifahrer aufzuschwätzen. „Much rain here, it´s rainy season, you know? Better take Taxi!“ Ja, da war ich noch überzeugt von unserem Plan, Angkor Wat mit dem Fahrrad zu erkunden. Der Taxifahrer lachte bloß. „Sure? Much traffic here!“ Much traffic – das merke ich jetzt auch als ich meine Klapperkiste durch den chaotischen Verkehr von Siem Reap manövriere.

Wir sind schließlich nicht die einzigen die die berühmte Tempelstätte Angkor Wat sehen möchten. Allerdings fast die einzigen, die das ganze mit dem Fahrrad versuchen. Jedenfalls jetzt zur Regenzeit. Aber noch ist von Regenzeit noch weit und breit keine Spur. Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel herab. Der Fahrtwind bringt etwas Linderung. Tuktuk um Tuktuk, Taxi um Taxi passieren uns, während wir die endlos lange Straße zu den Tempeln entlang fahren. Je weiter wir das Stadtzentrum hinter uns lassen, desto mehr steigt unsere Stimmung. Häuser weichen grüner Dschungellandschaft und auch der Verkehr wird weniger und weniger. Vielleicht war unsere Idee ja doch gar nicht so doof. Jedenfalls glauben wir schon die neidischen Blicke der anderen Touristen zu erahnen, die sich faul an uns vorbei kutschieren lassen. Nach etwa sechs Kilometern erreichen wir die Ticketschalter und erstehen für 40 Dollar ein Drei-Tages-Ticket mit Foto, was in den nächsten Tagen unser treuer Begleiter sein wird.

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Klein aber oho: Der kleine Rundweg

Für den heutigen Tag haben wir uns den insgesamt 17 Kilometer langen kleinen Rundweg ausgesucht. Zusammen mit den jeweils sieben Kilometern, die es vom Stadtzentrum bis zum Tempelgelände sind, kommen wir auf stolze 30 Kilometer – und das mit einem Fahrrad ohne Gangschaltung und einem Ständer, der sich alle 500 Meter verselbstständigt und gefährlich auf dem Boden schleift. Anhalten, hochklappen, weiterfahren und das immer und immer wieder.

Nur ein paar Kilometer nach dem Ticketschalter erreichen wir die ersten Wasserbecken, die den Beginn des Tempelgebietes ankündigen.

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1. Halt: Angkor Wat

Schon sehen wir von Weitem die ersten Mauern von Angkor Wat. Ein wirklich magischer Moment. Ein so lange gehegter Traum geht endlich in Erfüllung. Das ist ein unglaubliches Gefühl. Auch wenn jeder guter Reiseführer empfiehlt, den Rundweg rückwärts zu fahren, entscheiden wir uns dennoch entgegen aller Warnungen zuerst den Angkor Wat Tempel anzusehen. Denn „Angkor Wat“ bezeichnet eigentlich nur einen Tempelkomplex von hunderten, die zu dem Tempelareal gehören. Wer jemals schon ein Bild von Angkor Wat gesehen hat, dann ist es quais immer die Angkor Siluette gespiegelt im Seerosenteich. Und soll ich euch was sagen: Auch wenn ich das Bild schon Millionenfach gesehen habe, selbst davor zu stehen ist nochmal etwas ganz anderes. Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut beim Gedanken an diesen Moment. Übrigens kann man es in der Nebensaison ruhig wagen mit dem Klassiker zu beginnen. Die Horrorgeschichten, dass man vor lauter Touris kaum mehr den Tempel sehen kann, trifft in der Regenzeit mal so gar nicht zu.

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Nach dem obligatorischen Foto geht es dann hinein in die heiligen Mauern. Von da an konnten wir eigentlich unsere Reiseführer in die Tonne treten. Jeder Versuch ein bisschen Struktur in die Tempelbesichtigung zu bekommen scheiterte vor Überwältigung und Reizüberflutung. Nach nur wenigen Schritten ließen wir die Reiseführer Reiseführer sein und ließen uns einfach nur Treiben. Ob wir dabei die historisch wichtigsten Gänge, Skulpturen oder Schreine übersehen haben? Vielleicht. Aber letztendlich kann die kleine Tänzerinnen in einer Ecke an der Wand für den Betrachter viel mehr bedeuten als jeder Toptipp aus dem Reiseführer.

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Ich habe erwähnt, dass von Regen noch keine Spur war? Oh wie schnell sich das doch ändern kann. Als wir gerade den Rückweg antreten wollen, hören wir auf einmal in der Ferne ein plätscherndes Geräusch. Wenige Sekunden später wissen wir auch woher es kommt: Regen. Und zwar nicht so ein deutscher Luschiregen, sondern ein richtiger ausgewachsener kambodschanischer Monsunregen. Bevor wir unsere Regencapes herausholen und die Regenschirme aufspannen können, sind wir bereits bis auf die Haut nass. Mein einziger Gedanke gilt meiner Kamera, die ich wie mein Baby vor den Wassermassen schütze. Der strahlend blaue Himmel verwandelt sich innerhalb von weniger Minuten in eine düstere graue Wolkenwand. Doch soweit kann man vor lauter Regen gar nicht gucken. Der Tempel wirkt als sei er vom Nebel verschluckt, vom Nebel aus Wasser.

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2. Halt: Angkor Thom

So schnell er gekommen ist, so schnell ist er auch wieder vorbei und die Sonne scheint vom Himmel, als sei nie etwas gewesen. Zurück bleibt das Wasser in den Schuhen und die klitschnassen Klamotten, die in der Sonne zu trocknen beginnen. Wenigstens ist es warm – so kann man sich nicht erkälten. Durch das imposante Südtor erreichen wir die Tempelanlage Angkor Thom. Vier riesige steinerne Gesichter zieren das Tor und blicken in alle Himmelsrichtungen.

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Mit Gesichtern geht es auch weiter – denn genau für eben diese ist der Bayon Tempel in der Mitte des Angkor Thom Komplexes bekannt. Wie viele steinerne Augenpaare einen anstarren bemerkt man erst, wenn man den Tempel betritt. Was von weitem noch wie riesige Schreine aussah entpuppt sich als Meer von Gesichtern. Überall tauchen immer wieder neue auf – faszinierend und irgendwie gruselig zugleich.

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3. Halt: Ta Prohm

Über das Osttor verlassen wir das Angkor Thom Gelände und folgen dem kleinen Rundweg. Wiederkehrende Wolkenbrüche, die Nässe in unseren Knochen und die unglaubliche Menge an Eindrücken in unserem Kopf zwingt uns schließlich dazu, das eigentliche Tagespensum auf letztendlich drei Tempel zu verkürzen. Denn schließlich ist es besser drei Tempel wirklich als sechs nur so halb gesehen zu haben. Man will ja schließlich nicht nur wie ein fotografierender Zombie durch diese Wahnsinnskulisse wandern. Unser letztes Highlight zählt ebenfalls zu den bekanntesten Angkor Wat Tempeln überhaupt. Der Tempel Ta Prohm ist auch unter dem Namen Dschungeltempel oder auch etwas despektierlicher Angeline Jolie-Tempel bekannt. Denn der Film Tomb Raider, der auf dem Gelände gedreht wurde, brachte nicht nur Jolie sondern auch dem Tempel einiges an Publicity ein. Und sein wir mal ehrlich: die riesigen Urwaldwurzeln die sich unerbittlich ihren Weg durch die Tempelruine bahnen sind schon unglaublich faszinierend.

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Übrigens sahen fast alle Tempel des Areals mal ähnlich aus, als die Franzosen sie im 19. Jahrhundert im Dschungel wiederentdeckten. Vielleicht macht auch gerade diese Naturbelassenheit den Reiz des Tempels aus. Vielen Menschen sind wir trotzdem nicht begegnet. Außer einer koreanischen Reisegruppe und ein paar Individualtouristen hielten sich fast keine Menschen in dem Areal auf.

Stolz wie Bolle

Die Magie der Urwaldriesen muss uns wohl die letzte Energie ausgesaugt haben – denn nach der Besichtigung des dritten Tempels verlässt und endgültig alle Kraft und wir treten die Heimfahrt an. 15 lange Kilometer liegen noch zwischen uns, einer erfrischenden Dusche und trockenen Klamotten. Auch wenn die Landschaft, die an uns vorbeizieht – wenn ich mal nicht gerade anhalten und meinen Fahrradständer wieder einklappen muss – wirklich wunderschön ist, zieht sich der Heimweg wie Kaugummi.

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Als es erneut anfängt zu regnen, verdecke ich nur noch meine Kamera mit dem Regencape und lasse die dicken Tropfen einfach ungehindert auf meinen Körper prasseln. Ist aber irgendwie auch schön, so ein Tropenregen.

Beim zweiten Mal kommt uns der Stadtverkehr in Siem Reap gar nicht mehr so schlimm vor – quasi fast schon galant schieben wir uns zwischen all den Motos hindurch und auch unsere Laune steigt, je näher die Dusche rückt. Vor allem aber sind wir stolz wie Bolle, dass wir die Highlights von Angkor Wat auf eigene Faust mit dem Fahrrad erkundet haben. 30 Kilometer auf einem Fahrrad, dass in Deutschland lediglich als Alteisen dienen würde. Unsere Wehwehchen werden und noch drei Tage später an diesen großen Tag erinnern. Trotz aller Widrigkeiten – ich würde es immer wieder machen.

Könntet ihr euch vorstellen in Kambodscha mit dem Fahrrad unterwegs zu sein? Oder löst der Gedanke an den südostasiatischen Verkehr bereits Schweißausbrüche aus? Und wer glaubt, das sei schon die aufregendste Radtour während dieser Reise gewesen, der hat weit gefehlt. Wartet erst einmal ab, wenn ich euch von der Radtour durch Bangkok berichte…

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19 Comments

  1. says: Ramona

    Mensch…ich träum davon und du machst es einfach! :-) …und dann auch noch mit dem Rad!!! Das würde ich mich glaub nicht trauen.

    1. says: Jana

      Genau so ging es mir auch immer und da dachte ich mir: Träume nicht, tu es ;-) Fahrrad fahren war echt nicht so schlimm. Sobald man erstmal aus der Stadt raus ist, ist kaum mehr Verkehr… Also auf auf!!!! LG Jana

  2. says: Sarah Heimatherz

    Ich hab mich als ich da war für die faule Tuktuk Variante entschieden. Ich fand den Weg bis zu den Tempeln und innerhalb der Anlage zu weitläufig als das ich daran spaß gehabt hätte. Und 12$ plus Trinkgeld und nette Gespräche mit unserem Tuktukman fand ich auch nicht schlecht ;-) Die Fahrradtour durch Bangkok war mein Highlight meiner letzten Thailandreise – bin schon gespannt zu lesen wie es Dir gefallen hat!

  3. says: Thomas

    Mit deinem wuderbar geschriebenen Bericht hast du meine Erinnerungen an Angkor wieder geweckt. Die Reise war zu Zeiten vor ded Entstehung meines Blogs. Muss das mal nachholen. Du scheinst auf jeden Fall genauso gerne und auch so viele Bilder zu machen wie ich. Manche deiner Aufnahmen habe ich recht ähnlich. Bin auf die Fortsetzungen gespannt. Waren übrigens von Angkor und Kambodscha auch sehr begeistert.

    Lg
    Thomas

    1. says: Jana

      Du glaubst garnicht wie viele ähnliche Fotos ich noch auf meiner Festplatte habe… Bin nicht gut im Fotos Aussortieren, weder auf dem Blog noch auf der Festplatte :-D LG Jana

  4. says: Christina

    Yeah, sehr cool.
    Ich hab auch die faule Version mit dem Tuk Tuk gemacht, anders wäre es aber einfach nicht ertragbar gewesen. Wir sind wegen der Hitze schon fast gestorben, obwohl man uns rumkutschiert hat, auf einem Fahrrad wäre ich wohl keine zwei Kilometer gekommen. :D
    Tolle Sache, tolle Tempel, tolle Bilder!

    Liebe Grüße
    Christina

  5. Pingback: Monatsrückblick Juli 2013
  6. says: Merumeni

    grundsätzlich schöne Photos – nur stimmen Belichtung und Weißabgleich nicht: versuche mal unterzubelichten (!) und hole die Details z.B. in lightroom raus (ab Version 4 klappt das hervorragend – übrigens auch bei jpg). Auf den meisten Bildern sind die Lichter ausgebrannt – da kannst Du dann nichts mehr dran retten. Übrigens denke ich dass Film (schwarz weiß) auch seine Reize hat. Mit ein bischen Geschick läßt sich so ein Urlaubserlebnis (qua Selbstentwicklung) ganz gut strecken.

  7. says: Janine

    Oh wie schön, schön, schön!

    Nachdem wir schon vor ein paar Wochen unsere Reise dorthin geplant haben, geriet es etwas in Vergessenheit. Jetzt gerade aber hüpft mein Herz auf und ab und ich kann es kaum erwarten alles mit meinen eigenen Augen zu sehen. :)
    Die Radvariante finde ich prima. Wie ist es denn eigentlich generell in Angkor Wat bezüglich der Weitläufigkeit? Ist da ein Rad nicht sowieso spitzenklasse, um auch zu entlegeneren Tempel zu gelangen?

    Liebe Grüße Janine

    1. says: Jana

      Hallo Janine, oh wie toll! Das Gelände ist so weitläufig, dass die Tempel bis zu 50 Kilometer vom Haupteingang entfernt liegen. Mit den klapprigen Fahrrädern, die man da so leihen kann, schafft man gerade mal die kleine Runde an einem Tag. Für die größere Runde haben wir uns dann auch ein Tuktuk gemietet ;-) Liebe Grüße, Jana

  8. says: Andrea

    Hallo Jana, sitze grade in Siem Reap und lese deine Geschichte… Hat mir sehr gut gefallen.

    Heute habe ich die 1 Hälfte deiner Tour mit Tuk Tuk und Guide gesehen -echt Wahnsinn

  9. says: Wolfgang

    Hi Jana,

    amüsanter, inspirierender Post und schöne Fotos.

    Ich bin gerade auf dem Speedboat Richtung Siem Reap und überlege, ob ich nach der geführten Autotour morgen übermorgen eine Radtour mache. Der Wetterbericht sagt allerdings für die nächsten zwei Tage 99 % Regenwahrscheinlichkeit voraus. Na ja, mal sehen.

    Beste Grüße, Wolfgang

    1. says: Jana

      Hallo Wolfgang, bei uns hat es auch dolle geregnet aber im Nachhinein denke ich gerne an die Fahrradtour zurück! Ich kann es dir also nur ans Herz legen. Schöne Zeit noch in Kambodscha und liebe Grüße, Jana

  10. says: Julia

    Hey. Sehr schöner Bericht. Wir sind im August dort.
    Mich würde interessieren, ob du weißt, ob man Fahrräder auch am Eingang/Ticketschalter in der Nähe bekommt? Dann hätte man die Kilometer bis dorthin schon mal gespart :P Ansonsten kann man mit TukTuks auch einfach durch die ganze Anlage fahren?

    Dankeschön
    Liebe Grüße

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